Deutsche Soldaten in Afrika: Ist die Bundeswehr in Mali überfordert?
Die Bundesregierung will den Bundeswehr-Einsatz in Mali verlängern. Doch die Aufgabe der Soldaten geht weit über das hinaus, was sie leisten können.
Mit Schusswaffen und Macheten ausgerüstet drangen die Angreifer in die Siedlung ein. Sie steckten Häuser und Autos in Brand, raubten das Vieh und töteten mehr als 160 Männer, Frauen und Kinder. Die Leichen ließen sie einfach auf der Straße zurück. Seither sind die Brunnen im malischen Dorf Ogossagou unbrauchbar, die toten Körper haben das Wasser vergiftet.
Das Massaker von Mitte März ist der neueste Gewaltakt in dem blutigen Kampf zwischen rivalisierenden Bevölkerungsgruppen in dem westafrikanischen Staat Mali. In der Mitte des Landes, wo Savanne und Wüste aufeinandertreffen, kämpfen Ackerbauern und Viehzüchter um das knappe Nutzland. Auch Islamisten mischen mit in dem Konflikt, vor allem im Norden ist der Einfluss der Extremisten groß. Sie haben sich teils mit Separatisten verbündet und kämpfen gegen die Truppen der Regierung aus der Hauptstadt Bamako.
Krieg in Mali: 250.000 Vertriebene
Seit 2013 sind Bundeswehr-Soldaten in dem Land stationiert. 1100 sind es derzeit – als Teil der rund 11.000 Blauhelme starken UN-Mission MINUSMA und dem europäischen Ausbildungsprogramm EUTM. Die Bundesregierung will beide Einsätze nun verlängern.
An diesem Donnerstag stehen die ersten Lesungen der beiden Anträge an, die das Kabinett in der vergangenen Woche beschlossen hat. Die endgültige Entscheidung fällt der Bundestag wohl Mitte Mai. Die Zustimmung des Parlaments gilt als sicher. „Die Stabilisierung Malis ist ein Schwerpunkt des deutschen Engagements in der Sahel-Region und ein wichtiges Ziel der Afrikapolitik der Bundesregierung“, heißt es in dem Antrag der Bundesregierung. Bis zum 31. Mai 2020 soll die Bundeswehr-Beteiligung am UN-Einsatz dann vorerst weitergehen.
Die Mali-Mission ist die tödlichste, auf die sich die Vereinten Nationen jemals eingelassen haben: Seit Beginn im Jahr 2013 sind 180 Blauhelm-Soldaten in Mali gefallen, 15 alleine in diesem Jahr. Sie sollen eigentlich Frieden in dem westafrikanischen Land schaffen, der Regierung in Bamako helfen, eine Aussöhnung mit den Rebellengruppen im Norden hinzubekommen. Der Konflikt hält jedoch seit sieben Jahren an, mehr als 250.000 Menschen sind auf der Flucht. Wie viele malische Todesopfer es bislang gab, ist schwer zu sagen.
Das "Wald- und Wiesenmandat" der Bundeswehr
„Der Friedensprozess läuft nicht“, sagt Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Auch die Bundesregierung sieht kaum Fortschritte: Die Sicherheitslage wird als „volatil“ beschrieben, sie bleibe „angespannt“. Übersetzt heißt das: Von „Stabilisierung“ ist Mali weit entfernt. Bei der Umsetzung des Friedensabkommens, das die malische Regierung und Separatisten 2015 unterzeichnet haben, bestehe „weiterhin Verbesserungspotenzial“, schreibt die Bundesregierung in der Begründung ihres Antrags.
Genau darin liege das Problem des Bundeswehr-Mandats, das die große Koalition nun verlängern will, sagt Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Die Bundeswehr soll die politische Aussöhnung in Mali ermöglichen – zwischen der Regierung und den Rebellengruppen,“ sagt der Sicherheitsexperte. „Damit liegt das Ziel des Mandats allerdings weit außerhalb der Möglichkeiten der Bundeswehr. Die kann nicht beeinflussen, ob sich Regierung und Rebellen aussöhnen.“
Kaim hält den Einsatz für ein „Wald- und Wiesenmandat“ – bis hin zum Schutz des malischen Kulturgutes sei alles Mögliche Teil des Auftrags, gibt er zu bedenken. „Wie soll die Bundeswehr das leisten?“ Nouripour findet es „geradezu grotesk, was alles in das Mandat reingepackt wird“.
SPD-Politiker Felgentreu: "Dürfen Mali nicht alleine lassen"
„Der UN-Einsatz in Mali war für uns immer wichtig“, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Fritz Felgentreu. „An der Lage in Mali hängt auch unsere Sicherheit. Das Land ist eine Transitzone für Menschenhandel, Drogen und Waffen. Auch wirkt es sich auf die Stabilität in Nachbarstaaten aus, wie sicher Mali ist.“ Die Sicherheitslage im Einflussbereich der Bundeswehr habe sich „nicht verschlechtert“. Man dürfe das Land nicht alleine lassen.
Ähnlich sieht es der Sicherheitsexperte Kaim. „Spürbare Fortschritte gibt es nicht“, bilanziert er. „Das heißt allerdings nicht, dass sich Deutschland auf einem komplett falschen Weg befindet. Man braucht einfach Geduld.“ Der Grünen-Politiker Nouripour hat sich noch nicht entschieden, ob er einer Verlängerung zustimmen wird. In seiner Fraktion gebe es dazu unterschiedliche Meinungen, sagt er.
Aktiv an Kämpfen teilnehmen, das tun die Bundeswehr-Soldaten in Mali nicht. Das leisten vor allem französische Truppen. Sie sorgen auch für die Sicherheit der Deutschen, von denen der Großteil nahe der nördlichen Stadt Gao stationiert ist. Die Hauptaufgaben im „Camp Castor“ sind die Sicherung und Instandhaltung des Stützpunkts und der eigenen Ausrüstung – sowie die Feindaufklärung.
Seit Anfang 2017 war dafür nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium die Bundeswehr-Drohne „Heron 1“ rund 7700 Flugstunden im Einsatz. Das soll nach dem Willen der Bundesregierung jetzt weitergehen. Dadurch könnten andere UN-Truppen „ihre Kontingente besser sichern und schützen“. Die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes um ein Jahr soll laut Regierungsantrag rund 314 Millionen Euro kosten.
"Einzig nennenswerter" UN-Einsatz der Bundeswehr
Neben dem nördlichen „Camp Castor“ sind fast 200 Bundeswehr-Soldaten nahe der malischen Hauptstadt Bamako für die Ausbildung einheimischer Truppen abbestellt. „Malische Soldaten werden in militärischer Grundausbildung, in der Fahrschule und im Völkerrecht ausgebildet“, heißt es im Verteidigungsministerium. Bislang hätten 13.000 Menschen an den Lehrgängen teilgenommen. Hier soll die Verlängerung laut Antrag der Regierung knapp 41 Millionen Euro kosten.
Damit will die Bundesregierung auch ihren Partnern von UN und EU zeigen, dass Deutschland bereit ist, sich an internationalen Militäreinsätzen zu beteiligen. Diese Botschaft lässt sich mit einer Verlängerung der Bundeswehr-Mandate zweifelsfrei aussenden. „Der MINUSMA-Einsatz ist die einzige nennenswerte Beteiligung der Bundeswehr an einem Friedenseinsatz der UN“, sagt der Sicherheitsexperte Kaim. „Das ist ein Ausweis dafür, dass Deutschland mehr Verantwortung übernimmt – auch übernehmen muss. Wer ein Interesse an einer regelbasierten Weltordnung hat, der muss sich dafür auch selbst einsetzen.“
Und wie sieht es mit dem eigentlichen Ziel der Bundeswehr-Einsätze aus – der „Stabilisierung“ Malis? Das Land ist doppelt so groß ist wie Frankreich, die Hälfte davon ist Wüste. Der Staat ist arm, die Regierung schwach. Der SPD-Abgeordnete Felgentreu sagt: „Ob der malische Staat jemals in der Lage sein wird, überall für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, das ist eine offene Frage.“