Kanzlerkandidatur: Merkel will CDU-Vorsitz angeblich mit K-Frage verknüpfen
Im Sommerinterview der ARD wollte sich Angela Merkel nicht festlegen, ob sie zur Bundestagswahl 2017 noch einmal antritt. Nun meldet „Bild“, die CDU-Chefin habe einen taktischen Kniff im Sinn.
Macht sie's oder macht sie's nicht? Die Frage, ob Angela Merkel sich 2017 zum vierten Mal um die Kanzlerschaft bewerben wird, beschäftigt den politischen Betrieb. Am Samstag berichtete der „Spiegel“, die CDU-Vorsitzende sehe sich genötigt, erst im Frühjahr ihre Entscheidung zu verkünden - weil CSU-Chef Horst Seehofer sich vorher nicht festlegen wolle. Beim ARD-Sommerinterview hielt sie sich allerdings bedeckt. Sie werde zum „gegebenen Zeitpunkt“ ihren Entschluss bekanntgeben.
Nun die nächste Volte: Nach „Bild“-Informationen will Merkel sich schon auf dem Bundesparteitag im Dezember als neue Kanzlerkandidatin der Union präsentieren. Prominente Vertreter der CDU-Spitze rechnen demnach damit, dass sich Merkel in Essen für weitere zwei Jahre als Parteivorsitzende zur Wahl stellen und beide Kandidaturen miteinander verknüpfen wird - aus taktischem Kalkül heraus, um ihre parteiinternen Kritiker im Schach zu halten.
In dem „Bild“-Bericht vom Montag heißt es, wegen des Unmuts über Merkels Flüchtlingspolitik werde ein erheblicher Dämpfer bei der Wahl zum CDU-Vorsitz befürchtet - und die Verkündung ihrer Kanzlerkandidatur vor der Abstimmung sei dazu geeignet, das Ergebnis deutlich aufzupolieren. Denn wer dann noch gegen sie stimme, schmälere die Erfolgschancen der CDU im Wahlkampf. „Das diszipliniert“, zitierte das Blatt ein namentlich ungenanntes Präsidiumsmitglied. Dass CSU-Chef Horst Seehofer eine deutlich frühere Verkündung der Kandidatur nicht gut heiße, sei bereits Thema eines Vier-Augen-Gesprächs mit Merkel gewesen.
Merkel hat ihre Entscheidung über eine weitere Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl 2017 bislang offen gelassen. Die 62-Jährige kündigte am Sonntagabend im ARD-Sommerinterview an, sie werde ihren Beschluss „zum gegebenen Zeitpunkt“ fassen. Dies betreffe auch ihre Kandidatur als CDU-Vorsitzende auf dem Parteitag Anfang Dezember.
Der „Spiegel“ hatte zuvor berichtet, Merkel wolle ihre Entscheidung für eine erneute Kanzlerkandidatur wohl erst im Frühjahr 2017 bekannt geben. Grund dafür sei, dass Seehofer - Merkels unionsinterner Widersacher in der Flüchtlingspolitik - erst dann entscheiden wolle, ob seine Partei Merkel wieder unterstütze, berichtete das Magazin unter Berufung auf CDU-Kreise. Das aber sei für Merkel problematisch, da sie eine Wiederwahl zur CDU-Vorsitzenden gegenüber ihrer Partei nur bei einer erneuten Kanzlerkandidatur vertreten könne. In Berliner Regierungs- und Parteikreisen hieß es daraufhin am Wochenende, die Kanzlerin werde ihren Entschluss voraussichtlich frühestens auf dem CDU-Parteitag in Essen öffentlich verkünden.
Unionskreise weisen "Spiegel"-Bericht als Spekulation zurück
Nach Darstellung des „Spiegel“ hatte Merkel ursprünglich geplant, schon im Frühjahr 2016 zu erklären, ob sie noch einmal Kanzlerin werden wolle. Wegen der Flüchtlingskrise und des Streits mit Seehofer habe sie dies zunächst auf den Herbst verschoben. Doch auch dieser Zeitplan sei wegen Seehofers fehlender Rückendeckung nicht zu halten gewesen.
In Unionskreisen hieß es dazu, bei der Darstellung der Zeitpläne und Hintergründe handele es sich um frei erfundene Spekulationen. Merkel habe selbst im engeren Umkreis noch nicht angedeutet, wie sie sich entscheiden werde. Es gebe aber keinerlei Anzeichen, dass sie nicht erneut antrete.
"Am seidenen Faden der Gnade von Horst Seehofer"
Aus der SPD gab es spöttische Reaktionen über eine angebliche Abhängigkeit Merkels von Seehofer. „Die Kandidatur von Angela Merkel hängt offenbar am seidenen Faden der Gnade von Horst Seehofer“, sagte Parteivize Ralf Stegner. „Um den Stolz der CDU ist es längst geschehen, wenn über die Spitzenkandidatur der Union in München entschieden wird und ein Wahlkampf mit gemeinsamen Inhalten schwer vorstellbar ist.“
Die Sozialdemokraten von Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel haben selbst noch nicht entschieden, wen sie als Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken wollen. Geplant ist, Anfang 2017 den Namen des Kandidaten zu nennen und auf einem Parteitag Ende Mai über die Personalie zu entscheiden.
Nach einer Umfrage sind die Deutschen bei der Frage gespalten, ob Merkel auch nach der Bundestagswahl 2017 Kanzlerin bleiben soll. Sie ist seit 2005 im Amt und damit Europas dienstälteste Regierungschefin. Merkel regiert derzeit zum zweiten Mal in einer großen Koalition mit der SPD. Sollte sie erneut antreten, könnte sie mit Helmut Kohls Rekord-Kanzlerschaft von 16 Jahren gleichziehen. (Tsp, dpa)
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