CDU-Ministerliste: Merkel verteidigt ihr politisches Erbe
Jens Spahn spielt clever den modischen Konservativen, aber Angela Merkel gibt auch anderen eine Chance. Was die CDU daraus macht, ist offen. Ein Kommentar.
Die eigene Nachfolge gut zu regeln gehört zu den eigentlich unmöglichen Aufgaben im Leben. Die Beispiele für gelungene Übergänge sind denn auch rar, nicht nur in der Politik. Man kann meist schon froh sein, wenn der Patriarch nicht versucht, missliebige Talente vom Hof fernzuhalten. Helmut Kohl zum Beispiel hat diese Selbstdisziplin nicht aufgebracht. Angela Merkel ist auch darin bis heute seine Schülerin, dass sie die gröbsten Fehler des Alten vermeidet. Die Kanzlerin gibt ihrem gewandtesten Widersacher ein Ministerium.
Jens Spahn bekommt damit die Gelegenheit, sich zu bewähren – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn Merkels Personaltableau zeigt insgesamt, dass die CDU-Chefin den Kern ihres politischen Erbes zu verteidigen gedenkt. Dieser Kern besteht in dem, was ihr Kritiker als „Sozialdemokratisierung“ und Verrat am Althergebrachten vorwerfen. Man kann aber, mit einem gerade wieder schwer in Mode kommenden Begriff, genau so gut „Erneuerung“ dazu sagen.
Die passte nicht jedem, weil sie Gewissheiten infrage stellte und an Pfründen kratzte. Man konnte auch in jedem einzelnen Fall über Stilfragen und pädagogisches Geschick – oder Mangel an solchem – reden. Bloß ändert das nichts daran, dass die CDU nur deshalb noch Volkspartei ist, weil sie neue Wählerschichten erschlossen hat. Die SPD hat das versäumt, mit den bekannten Folgen: Die gewerkschaftstreuen Malocher sterben ihr weg, und die GemeinschaftskundelehrerInnen werden nicht mehr. Manche von denen wählen sogar heimlich CDU.
Der Strategin Merkel dagegen war früh klar, dass die Mitte ein beweglicher Ort ist. Eine bürgerliche Mehrheitspartei kann sich der Drift einer Gesellschaft nicht prinzipiell verweigern, selbst um den Preis nicht, dass ein neuer Kurs manchen Traditionalisten unter Protest von Bord gehen lässt. Sie kann allenfalls versuchen, die Bewegung so zu beeinflussen, dass nicht zu viele seekrank werden.
Allerdings steht nirgendwo geschrieben, dass der Ort immer nur in eine Richtung wandert. Womit die Frage hinter den Wort- und Stellungspielen um die Rolle des Konservativen und seiner Symbolfiguren in der CDU erreicht wäre: Dreht die Mitte grade scharf nach rechts?
Konservative Mode ist noch kein Rechtsruck
Der Augenschein – Donald Trump, Victor Orbán, Sebastian Kurz, Alexander Gauland – liefert den Anhängern dieser Theorie Indizien. Aber man muss immer aufpassen, nicht in die politische Börsenkursfalle zu tappen. Nicht jeder demoskopische Kursanstieg ist der Beginn einer Hausse. Selbst der Einzug der AfD in den Bundestag war erst mal nichts weiter als die späte – und letztlich sogar maßvolle – Quittung für den frühen Flüchtlingskurs Merkels und ihres Partners SPD. Eine generelle Wende im Zeitgeist beweist das nicht, auch wenn einer wie Spahn clever seine Marktlücke als modischer Konservativer erkannt hat.
Gegen die Theorie von der unaufhaltsam rollenden Konterrevolution spricht zum Beispiel die neue Gemeinsamkeit der Demokraten, die sich gerade gegen die Populisten im Bundestag formt. Gut möglich, dass sich da in der Abwehr neurechter Hassreden eine neue Mitte der praktischen Vernunft herausbildet.
Dagegen spricht auch eine wie Annegret Kramp-Karrenbauer. Merkels Überraschungspersonalie hat vor einem Jahr triumphal eine Wahl gewonnen, weil die Saarländerin nicht wild geblinkt, sondern an ihrer Mitte festgehalten hat. Die liegt teils rechts und teils links von Merkel, aber immer mitten in der Person.
Welches Kurs- und Rollenmodell sich durchsetzt, wenn Merkels Nachfolge einmal ansteht, ist völlig offen. Niemand kann Augenblicksstimmungen vorhersehen und keiner, auch Merkel selbst nicht, den Zeitpunkt. Aber Kramp-Karrenbauer, Spahn, Parteitagsliebling Julia Klöckner als Agrar- und selbst die bisher völlig unbekannte Anja Karlicek als Bildungsministerin bekommen eine Bühne, sich zu beweisen. Merkel macht ihnen und der Partei ein Angebot. Die Chance nutzen müssen sie schon selbst.