Treffen in Meseberg: Merkel und Macron wollen raschen Durchbruch bei Corona-Hilfen
Merkel und Macron bekräftigen vor dem nächsten EU-Gipfel zu den Corona-Hilfen ihre Einigkeit. Doch eine Lösung im Kreis aller EU-Staaten wird schwierig.
Die Corona-Pandemie ändert auch die Begrüßungsrituale zwischen Angela Merkel (CDU) und Emmanuel Macron. Statt der sonst üblichen Wangenküsschen empfing die Kanzlerin den französischen Staatschef am Montag mit dem indischen „Namaste“-Gruß mit kleiner angedeuteter Verbeugung. Merkel und Macron könnten spätestens beim EU-Gipfel am 17. und 18. Juli in Brüssel erneut auf die freundliche Geste zurückkommen – denn dann wollen die beiden eine Einigung über das geplante EU-Wiederaufbauprogramm herbeiführen. Und dabei wollen sich Merkel und Macron gegenseitig unterstützen.
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Die Begegnung zwischen der Kanzlerin und dem Präsidenten im Gästehaus der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg am Montag war das erste physische Treffen der beiden seit dem Beginn der Pandemie. Als Merkel und Macron im Mai ihren Plan für einen 500-Milliarden-Euro-Fonds mit Zuschüssen für Länder wie Italien und Spanien vorstellten, da waren sie noch per Videokonferenz verbunden gewesen. In der Zwischenzeit hat auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ihr eigenes Wiederaufbauprogramm in Höhe von 750 Milliarden Euro vorgestellt. Und auch die Gegner großzügiger Hilfen in der EU – in erster Linie die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark – haben sich bereits positioniert.
Dass sie eine Lösung beim Streit über das Milliardenprogramm mitsamt dem EU-Haushalt für die kommenden sieben Jahre mit einem Volumen von 1,1 Billionen Euro möglichst rasch anstreben, machten Merkel und Macron bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montagabend deutlich. Sie wolle gemeinsame mit Macron den EU-Ratspräsidenten Charles Michel bei seinen zahlreichen Gesprächen mit europäischen Staats- und Regierungschefs im Vorfeld des Gipfels Mitte Juli unterstützen, sagte Merkel. Allerdings sei der Weg zu einer Lösung noch weit.
Deutschland übernimmt am Mittwoch den EU-Vorsitz
Am Mittwoch übernimmt Deutschland turnusgemäß für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Damit richten sich alle Augen in der EU automatisch auf Merkel, von der allgemein erwartet wird, einem Kompromiss über das Milliardenpaket den Weg zu ebnen. Den engen Schulterschluss mit Frankreich begründete die Kanzlerin mit den Worten, dass eine Einigung zwischen Deutschland und Frankreich nicht zwangsläufig eine Einigkeit in Europa bedeute. „Aber wenn Deutschland und Frankreich sich uneinig sind, dann ist es mit der Einigkeit Europas nicht besonders gut bestellt.“
Macron warnt Großbritannien
Macron sagte, eine Lösung zum Mehrjahreshaushalt der EU und zum Wiederaufbauplan sei bereits im Juli möglich. Er forderte zudem mit Blick die Post-Brexit-Gespräche zwischen Großbritannien und der EU, die bis Ende des Jahres in einen Handelsvertrag münden sollen, einen fairen Umgang beider Seiten. Die EU werde es nicht akzeptieren, wenn Großbritannien nach dem Verlassen der Gemeinschaft Zugang zum Binnenmarkt beanspruche, „ohne die Regeln zu respektieren“. „Das wäre das Gegenteil eines souveränen Europas“, erklärte der Gast aus Paris.
Unterschiedlicher Verlauf der Pandemie in Deutschland und Frankreich
Macron wurde zudem gefragt, welche Lehren er aus dem unterschiedlichen Verlauf der Pandemie auf beiden Seiten des Rheins angesichts der Tatsache ziehe, dass bislang in Frankreich mehr als dreimal so viel Tote registriert wurden wie in Deutschland. Es sei noch zu früh, um gesundheitspolitische Lehren zu ziehen, zumal die Pandemie noch nicht vorüber sei, entgegnete Macron. Der Staatschef erklärte, dass Frankreich im Februar von einem massiven Auftreten des Virus in der Region „Grand Est“ überrascht worden sei. Einen vergleichbaren Pandemie-Herd habe es in Deutschland nicht gegeben, so Macron.
Schlappe für den Präsidenten bei Kommunalwahlen
Bevor sich Macron am Montag auf den Weg nach Deutschland machte, musste allerdings er eine empfindliche Niederlage seiner Partei bei den Kommunalwahlen vom Sonntag verkraften. Der Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) war es in sämtlichen Metropolen misslungen, die Bürgermeisterposten zu ergattern. Lediglich in der nordfranzösischen Hafenstadt Le Havre, wo Macrons Premierminister Edouard Philippe von 2010 bis 2017 Bürgermeister gewesen war, konnte LREM einen Erfolg verbuchen.
Macron selbst versuchte anschließend gar nicht erst, die Niederlage schönzureden. Der Staatschef sprach bei einem Bürgerkonvent zum Klimaschutz im Elysée-Palast von einer „Ohrfeige“. Gegenüber den 150 Mitgliedern des Konvents, die zuvor Vorschläge zum Klimaschutz erarbeitet hatten, kündigte er seine Bereitschaft an, im kommenden Jahr über eine Verfassungsänderung per Referendum abstimmen zu lassen. Sofern es dafür in den beiden Parlamentskammern eine Mehrheit gibt, soll bei der Volksabstimmung darüber entschieden werden, ob der Kampf gegen die Erderwärmung zum Verfassungsziel wird. Zudem kündigte Macron an, dass in den kommenden zwei Jahren weitere 15 Milliarden Euro für den ökologischen Umbau der französischen Wirtschaft ausgegeben werden sollen.
Die ökologischen Ankündigungen kamen gerade recht, denn am Abend zuvor waren vor allem die Grünen die großen Wahlgewinner gewesen. Bis dahin war lediglich Grenoble der einzige größere Bastion der Partei „Europa—Ökologie – Die Grünen“ gewesen. Künftig stellen die Grünen zudem nun Bürgermeister in Straßburg, Bordeaux, Lyon, Poitiers und Besançon. Nimmt man die Kommunalwahlen – bei der es allerdings nur eine schwache Wahlbeteiligung gab – zum Maßstab, dann können sich die Grünen als führende Kraft im linken Lager fühlen.
Rekord-Minus bei der Wahlbeteiligung
Es nützte Macrons Partei auch nichts, dass die Behörden zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hatten, um den Bürgern am Wahltag die Angst vor einer Corona-Ansteckung zu nehmen. Sicherheitsabstände, Maskenpflicht und die Auflage, dass sich maximal drei Wähler gleichzeitig im Wahllokal aufhalten durften, änderten am Ende aber nichts an einer Rekord-Enthaltung von 60 Prozent.
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Die niedrige Beteiligung ist besonders bitter für Macron, der sich nach den Protesten der „Gelbwesten“ um eine stärkere Bürgerbeteiligung bemüht hatte. So hatte der Präsident im vergangenen Jahr landesweit einen Bürgerdialog initiiert. Angesichts der schwachen Wahlbeteiligung musste LREM-Parteichef Stanislas Guerini am Montag zugeben, dass ein „tiefes Misstrauen“ in der Bevölkerung zunehmend zum Problem für die französische Politik wird.