500 Milliarden Euro für notleidende EU-Staaten: Merkel und Macron werben für ihren Wiederaufbau-Plan
Die Kanzlerin und Frankreichs Präsident wollen viel Geld für die von Corona stark gebeutelte EU-Staaten lockermachen. Widerstand kommt aus dem Norden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollen an diesem Dienstag in einer Videokonferenz mit den Regierungschefs von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei für die Hilfspläne werben. Um notleidenden EU-Staaten nach der Coronakrise aufzuhelfen, befürworten Deutschland und Frankreich ein europäisches Hilfspaket mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro schnüren. Wenn es nach Merkel und Macron geht, soll es dafür eine massive Schuldenaufnahme über den EU-Haushalt geben.
Krisenstaaten wie Italien oder Spanien könnten Zuschüsse bekommen. Merkel sagte am Montag, dies sei eine „außergewöhnliche, einmalige Kraftanstrengung“. Die Bundesregierung hatte sich lange gegen gemeinsame Schulden über den EU-Haushalt gesträubt.
Doch gegen den deutsch-französischen Plan regt sich bereits Widerstand. Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden pochen darauf, dass die EU nur rückzahlbare Kredite und keine Zuschüsse ausgibt.
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte, er habe sich mit den Regierungschefs der Niederlande, Dänemarks und Schwedens ausgetauscht. „Unsere Position bleibt unverändert“, schrieb Kurz auf Twitter. Für Merkel und Macron ist das ein Problem, denn: Der Plan muss von allen 27 EU-Staaten einstimmig beschlossen werden.
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Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, begrüßt den Plan. „Es ist ein Stück weit mehr Solidarität als bisher gezeigt wurde“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag im Deutschlandfunk. Anders als Eurobonds sei der vorgeschlagene Corona-Hilfsfonds zeitlich und inhaltlich begrenzt und ausdrücklich ein Notprogramm. Es könne nicht wenigen Ländern in der EU gut gehen, während es vielen schlecht gehe, sagte Barley.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lobte den Plan als Fundament für ein neues Europa gelobt. In einem Tweet auf Französisch schrieb Laschet: „Die Periode nach Corona muss Europa wiederbeleben.“ Merkel und Macron hätten den „Grundstein für ein neues Europa“ gelegt, das geeinter, solidarischer und zusammen stärker in der Welt sei. Laschet ist seit Anfang 2019 deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter.
Opposition lobt den Plan, konservative Werteunion lehnt ihn ab
Die Initiative findet zudem Zustimmung bei der Opposition in Deutschland. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete sie am Dienstag als „grundsätzlich richtig“. Er forderte einen „Plan B“, falls die deutsch-französische Initiative am Widerstand anderer EU-Staaten scheitere. Ein europäisches Konjunktur- und Investitionsprogramm solle es dann „notfalls nur mit und für die Staaten geben, die vorangehen“, sagte er. Bartsch äußerte allerdings Zweifel an der Umsetzbarkeit.
Die konservative Werteunion rief die Abgeordneten von CDU und CSU zum Widerstand gegen Merkels und Macrons Pläne auf. Die Initiative sei „ein weiterer Schritt in Richtung Schuldenunion und Zentralstaat“, sagte Werteunion-Chef Alexander Mitsch. „Wir fordern daher die Unionsabgeordneten im Bundestag und im Europaparlament auf, diese weitere zentralstaatliche Verschuldung zu verhindern.“
Die Werteunion firmiert als eingetragener Verein und zählt nicht zu den offiziellen Parteigliederungen der CDU. Sie sieht sich selbst als „konservative Basisbewegung in der CDU/CSU“.
FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff wies darauf hin, dass der Vorschlag keine guten Aussichten auf Umsetzung habe. „Dieser Plan hat keine rechtliche Grundlage, die muss einstimmig beschlossen werden, man braucht die Dänen, die Holländer und die Österreicher“, sagte Lambsdorff im ZDF. „Ich bin sehr skeptisch, ob es überhaupt dazu kommt, dass aus diesem Plan etwas wird.“ Es gebe innerhalb der EU nicht genug Unterstützung für die Aufnahme gemeinsamer Schulden.
Worum es genau geht
Gemeinsam in die rote Zahlen: Der Wiederaufbau soll über Kredite finanziert werden, die die EU-Kommission als Schulden am Kapitalmarkt aufnimmt. Die EU-Staaten müssten dafür in der nächsten mehrjährigen gemeinsamen Finanzplanung Garantien geben. Denn wenn die Länder gemeinsam geradestehen, können sie zu günstigeren Konditionen Geld leihen, als das vielen Regierungen im Alleingang möglich wäre.
Finanzspritzen für Krisenstaaten: Besonders betroffene Branchen und Regionen sollen Zuwendungen aus dem Fonds erhalten - keine Kredite. Die Empfängerstaaten müssen das Geld also nicht wieder zurücküberweisen. Indirekt werden sie allerdings doch mit zur Kasse gebeten, denn sie zahlen weiterhin in den EU-Haushalt ein, aus dem die Schulden über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren wieder abgestottert werden. Wie viel ein Land hier zahlt, hängt von der Wirtschaftskraft ab.
Deutschland ist mit einem Anteil von ungefähr 27 Prozent der größte Netto-Beitragszahler. Finanzschwächere Staaten profitieren also unter dem Strich besonders.
Gemeinsame Haftung für die Schulden wäre begrenzt
Ziele: Das Geld soll verhindern, dass Regionen in der Corona-Krise völlig abgehängt werden. Es soll insbesondere den Wandel zu einer digitaleren und umweltverträglicheren Wirtschaft fördern sowie Forschung und Innovation.
Haushaltsregeln: Deutschland hat sich lange gegen solche gemeinsamen Schulden über den EU-Haushalt gewehrt. Gemeinsame Anleihen („Corona-Bonds“) lehnte die Bundesregierung ab.
Die Finanzierung über den EU-Haushalt bedeutet nun, dass die üblichen EU-Haushaltsregeln gelten, nur Projekte finanziert werden und nicht etwa der Staatshaushalt einzelner Mitgliedsstaaten. Der Unterschied zu Corona-Bonds ist auch, dass die gemeinsame Haftung für die Schulden begrenzt ist auf den Umfang der Garantien im Haushalt.
Befürworter im Süden, Gegner im Norden
Bisherige Hilfen: Ein erstes Paket mit Kredithilfen von bis zu 540 Milliarden Euro war von den EU-Staaten bereits Anfang April vereinbart worden. Beim geplanten Fonds geht es um längerfristige Unterstützung beim Wiederaufbau.
Befürworter des Plans: Zumindest aus Brüssel kam prompter Beifall. „Dies geht in die Richtung des Vorschlags, an dem die Kommission arbeitet“, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die EU-Staaten hatten sie im April beauftragt, ein Modell für den Wiederaufbauplan zu erarbeiten. Der Vorschlag soll am Mittwoch kommender Woche vorgestellt werden. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem Schritt in die richtige Richtung und forderte Kompromisswillen von allen 27 EU-Staaten.
Italien und Spanien sehen die Initiative von Merkel und Macron positiv. Es gebe aber noch Verbesserungspotenzial, hieß es in Regierungskreisen in Rom. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez schrieb auf Twitter von einer „Initiative, die auf einer Linie mit unseren Forderungen ist und bei der wir weiter vorwärtskommen müssen“.
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Gegner des Plans: Einige EU-Länder, darunter die Niederlande und Österreich, haben weiter Vorbehalte dagegen, gemeinsame Schulden aufzunehmen und dieses Geld als Zuwendung an Krisenregionen zu geben. Die als Kredit aufgenommenen Mittel dürften auch nur als Kredit weitergereicht werden, hieß es zum Beispiel am Montag von Seiten der österreichischen Regierung.
Hier ist noch Überzeugungsarbeit nötig. Denn der Plan muss von allen 27 Staaten einstimmig beschlossen werden, weil er mit dem siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen verknüpft ist. Die Erhöhung der Eigenmittelobergrenze muss zudem in allen 27 Staaten ratifiziert werden, in Deutschland vom Bundestag.
Was sagen die Osteuropäer: Merkels osteuropäischen Gesprächspartner aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien nähme der deutsch-französische Plan zumindest eine Hauptsorge: Die Planung der Mittel im nächsten mehrjährigen EU-Haushalt, der dieses Jahr aufgestellt werden muss, soll nicht berührt sein. Das ist gerade für die osteuropäischen Staaten als Empfänger umfangreicher Strukturhilfen bedeutsam. (dpa, AFP)