Streit um Europäische Hilfen: Sollen die Corona-Kredite der EU an Bedingungen geknüpft sein?
Es gibt Streit um die Frage, ob die Kredite aus dem ESM bedingungslos gewährt werden sollen. Deutschland steht hier wieder gegen die südlichen EU-Länder.
Beim EU-Gipfel am heutigen Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs weitgehende Maßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie beschließen. Den 27 Mitgliedstaaten der EU geht es darum, schwer von der Corona-Krise getroffenen Ländern wie etwa Italien, Spanien und Frankreich finanzielle Rückendeckung zu geben. Ansonsten, so lautet die Befürchtung, könnte es diesen Ländern nicht gelingen, an den Finanzmärkten die Kredite für die bereits zugesagten oder in Zukunft noch kommenden wirtschaftlichen Hilfsprogramme aufzunehmen.
Es geht also darum, ein Wiederaufflammen der Staatsschuldenkrise zu vermeiden und gar nicht erst Diskussionen darüber aufkommen zu lassen, ob wirtschaftlich ohnehin angeschlagene Länder wie das hoch verschuldete Italien noch kreditfähig sind. Die Sorge ist nicht unbegründet: Schon in der vergangenen Woche waren die Risikoaufschläge, die Italien bei der Vergabe von Staatsanleihen zahlen musste, drastisch in die Höhe gegangen. Nach der jüngsten Ankündigung der Europäischen Zentralbank, im großen Stil Staatsanleihen zu kaufen, hat sich die Lage weitgehend beruhigt. Die Renditen liegen jetzt wieder in dem Bereich wie vor der Corona-Krise.
Der ESM kommt zurück
Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), der 2012 zur Abschirmung der Euro-Zone gegründet wurde und Griechenland, Irland, Spanien und Portugal aus der Finanzklemme geholfen hat, soll einspringen. Der ESM verfügt über 410 Milliarden Euro. Der Plan ist, dass Mitgliedstaaten Kredite bis zu zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung aus dem ESM bekommen können.
Bis Ende nächster Woche sollen die Konditionen wie der Zinssatz sowie die sonstigen Bedingungen feststehen. Jedes Mitgliedsland der EU hat Anspruch auf diese Kredite. Der ESM hat dafür genug Feuerkraft. Das ESM-Kapital, das die Euro-Länder zuvor eingezahlt haben, entspricht 3,4 Prozent der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone.
Insgesamt haben die EU-Mitgliedstaaten bislang Rettungspakete für ihre Wirtschaft aufgelegt in einem Volumen von etwa zwei Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der EU. Das heißt: Mitgliedstaaten könnten jetzt ihre zugesagten Hilfspakete komplett über den ESM finanzieren. Und sie müssten nicht mehr Schulden an den Finanzmärkten aufnehmen als vor der Krise.
Es muss nicht bei zwei Prozent bleiben
Es wird in Aussicht gestellt, dass die Begrenzung auf zwei Prozent auch fallen kann, wenn die Krise schlimmer wird. Zunächst war diskutiert worden, dass alle EU-Staaten die Kredite beim ESM ziehen. So wollte man verhindern, dass einzelne Länder, die die Hilfe beanspruchen, stigmatisiert werden. Doch davon war man abgekommen, um die Finanzkraft des ESM nicht überzustrapazieren.
Der Vorschlag für dieses Vorgehen kommt von den Finanzministern der EU-Mitgliedsländer. Er muss aber noch von den Staats- und Regierungschefs Donnerstag bei ihrem Gipfel, der per Videoschalte abgehalten wird, beschlossen werden. Es gibt auch noch strittige Punkte. Umstritten ist, zu welchen Konditionen die Kredite ausgezahlt werden sollen. Der ESM hatte die Gelder seinerzeit nur unter harten Auflagen vergeben.
Die sogenannten „Programm-Länder“ mussten sich verpflichten, harte Reformen etwa im Rentensystem oder am Arbeitsmarkt zu absolvieren oder Privatisierungen vorzunehmen. Das will jetzt niemand. Doch die südlichen EU-Staaten wollen, dass die ESM-Kredite an gar keine Bedingungen geknüpft werden. Deutschland, Niederlande und viele skandinavische Staaten bestehen darauf, dass es durchaus Bedingungen gibt. Auch müsse darauf geachtet werden, dass die Staaten sich nicht überschulden.