Ukraine: Merkel und Hollande für Verlängerung der Russland-Sanktionen
Bei einem Treffen im Kanzleramt sagte Merkel, die Umsetzung der Ukraine-Abkommen sei "sehr schwerfällig".
Das Ende der Amtszeit des französischen Präsidenten François Hollande im kommenden Mai ist zwar schon absehbar. Aber der Sozialist wollte am Dienstag bei seinem Besuch in Berlin gar nicht erst den Eindruck aufkommen lassen, er befinde sich bereits auf einer Abschiedstour durch Europas Hauptstädte. Hollande, der wegen einer deutsch-französischen Digitalkonferenz nach Berlin gekommen war, nutzte sein Gespräch mit Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt, um vor dem Brüsseler EU-Gipfel am kommenden Donnerstag gemeinsam mit der Kanzlerin ein paar Pflöcke einzuschlagen: Merkel und Hollande sprachen sich dafür aus, die im Januar auslaufenden EU-Sanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate zu verlängern.
Die Wirtschaftssanktionen der EU waren nach der russischen Annexion der Krim vom März 2014 verhängt worden. Eine Aufhebung der Strafmaßnahmen macht die EU von Fortschritten bei der Umsetzung der Minsker Friedensabkommen für die Ukraine abhängig, die zuletzt im Beisein von Merkel und Hollande im Februar 2015 festgezurrt worden waren. Das Minsker Abkommen sieht einerseits eine Beendigung der Kämpfe in der Ostukraine und andererseits einen politischen Sonderstatus für die Region vor.
Merkel erklärte am Dienstag, die Umsetzung der Minsker Abkommen sei „sehr schwerfällig“. Deshalb werde „es notwendig sein, die Sanktionen gegenüber Russland noch einmal zu verlängern“. Ähnlich äußerte sich auch Hollande. Da es „immer wieder dieselben Blockaden“ bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung gebe, befürworte er wie Merkel eine Verlängerung der Strafmaßnahmen.
Rätselraten über Italiens Kurs beim EU-Gipfel
Allerdings ist der Schritt in der EU nicht unumstritten. Russland hat die Sanktionen, die den Energie-, Verteidigungs- und Finanzsektor treffen, seinerseits mit einem Importstopp für landwirtschaftliche Produkte aus der EU beantwortet. Zu den Staaten, die sich innerhalb der Gemeinschaft besonders für ein Ende der Sanktionen einsetzen, gehörte bislang Italien. Der inzwischen zurückgetretene italienische Regierungschef Matteo Renzi hatte sich für eine Lockerung der Strafmaßnahmen eingesetzt. Vor dem italienischen Verfassungsreferendum, das seinen vorläufigen Abschied von der politischen Bühne besiegelte, hatte sich Renzi für eine Gipfel-Diskussion über Russland eingesetzt. Nach Angaben aus EU-Kreisen ist unklar, welchen Kurs Renzis Nachfolger Paolo Gentiloni verfolgen wird. Wenn sich keiner der Gipfelteilnehmer am Donnerstag für ein Ende der Sanktionen ausspreche, sei der Weg automatisch frei für deren Verlängerung, hieß es in den Kreisen weiter.
Merkel will weitere Abkommen nach dem Muster der Türkei-Vereinbarung
Auf der Agenda des EU-Gipfels wird auch ein weiteres Mal die Flüchtlingskrise stehen. Die EU befinde sich immer noch „in einer sehr fragilen Situation“, sagte Merkel angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen, die weiter über die zentrale Mittelmeerroute den Weg nach Europa suchen. Deshalb müssten nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens weitere Vereinbarungen mit afrikanischen Ländern geschlossen werden, forderte die Kanzlerin. „Wir stehen zum EU-Türkei-Abkommen“, sagte sie. Merkel forderte, dass Griechenland die Rückführung irregulärer Flüchtlinge in die Türkei – wie im Abkommen vorgesehen – beschleunigen müsse.
Am Freitag wird Tsipras im Kanzleramt erwartet
Weder Merkel noch Hollande gingen bei ihren Erklärungen indes auf die wirtschaftliche Situation Griechenlands ein. Dabei hatte Hollande noch am Vorabend seinen griechischen Amtskollegen Prokopis Pavlpoulos im seinem Amtssitz im Elysée-Palast empfangen. Bei dem Treffen hatte sich der Sozialist für eine „Verringerung der Schuldenlast“ Griechenlands ausgesprochen. Die Schuldenkrise Griechenlands steht zwar beim EU-Gipfel nicht auf dem Programm, könnte aber in den nächsten Monaten noch Diskussion zwischen Berlin und Paris auslösen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich wiederholt gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland ausgesprochen. Am Freitag will Merkel den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras im Kanzleramt empfangen.
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Albrecht Meier