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Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Kabinettssitzung.
© dpa/Britta Pedersen
Update

Union für Steinmeier als Bundespräsident: Merkel nennt Zustimmung für Steinmeier "Signal der Stabilität"

CDU und CSU folgen dem Vorschlag von SPD-Chef Gabriel für Außenminister Steinmeier als Gauck-Nachfolger. Ein CDU-Politiker reklamiert sogleich das Außenamt für die Union.

Die CDU will Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl mittragen. Das Parteipräsidium hat sich am Montagmorgen in einer Telefonschalte darauf geeinigt, die von SPD-Chef Sigmar Gabriel angeregte Kandidatur Steinmeier zu unterstützen, wie die Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters übereinstimmend berichten. Auch die CSU schließt sich dem Vorschlag an. CSU-Chef Horst Seehofer gab die Einigung auf den Sozialdemokraten am Montag im Parteivorstand in München bekannt, wie aus dem Vorstand verlautete. Damit sind die drei Parteien der großen Koalition, SPD, CDU und CSU, geschlossen für Steinmeier.

Zuvor hatte hatte Seehofer schon eine entsprechende Andeutung gemacht: „Wir sind uns einig, CDU und CSU. Das ist wichtig.“ Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hatte Steinmeier öffentlich ausdrücklich als guten Kandidaten bezeichnet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Festlegung auf Außenminister Steinmeier als Vernunftentscheidung bezeichnet. „Es ist eine Entscheidung aus Vernunft“, sagte sie nach Informationen der dpa in der Telefonschalte.

Später sagte Merkel, die Entscheidung für Steinmeier sei ein „Signal der Stabilität“. Gerade in Zeiten weltweiter Unruhe und Instabilität sei dies ein wichtiges und richtiges Zeichen, sagte sie. Sie habe Steinmeier persönlich die Unterstützung der Union mitgeteilt, der CDU-Bundesvorstand sei ihrem Vorschlag gefolgt. Merkel betonte, sie kenne den Außenminister der großen Koalitionen von 2005 bis 2009 und seit 2013 als „verlässlichen und immer auf Ausgleich und Lösungen ausgerichteten Politiker“. Steinmeier sei ein „Mann der politischen Mitte“ und in der deutschen Gesellschaft, aber auch im Ausland sehr geachtet.

Der SPD-Vorsitzende Gabriel bezeichnete die geplante Nominierung Steinmeiers als wichtiges Signal in schwieriger Zeit. Steinmeier habe sich in seiner politischen Laufbahn „hohes Ansehen“ erworben, er genieße das Vertrauen der Bürger, sagte der Vizekanzler in einer ersten Stellungnahme am Montag in Berlin. „Dieses Vertrauen brauchen wir in der heutigen Zeit besonders“, sagte Gabriel weiter. Der Bundespräsident trage hohe Verantwortung für liberale und soziale Grundwerte - Steinmeier sei daher der richtige Mann. Wie der SPD-Chef angekündigte, wollen die Koalitionäre Steinmeier am Mittwoch um 12 Uhr offiziell präsentieren. Sein Ministeramt werde er vorerst beibehalten.

Die SPD reagierte begeistert und mit Genugtuung auf die Nachrichten aus der Union. Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte: „Steinmeier wird ein hervorragender Bundespräsident werden. Er steht für Verantwortung, Verlässlichkeit und Zusammenhalt.“ Der Sprecher des konservativen SPD-Flügels, Johannes Kahrs, twitterte: „Der beste Mann wird Bundespräsident. Traumschön. Qualität statt Proporz.“ Parteivize Ralf Stegner meinte, nun zeige sich, was die SPD seit Monaten erwartet habe: „Merkel meidet das Risiko.“

Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) lobte die geplante Nominierung von Steinmeier als „großartige Entscheidung“. Er zolle der Union ausdrücklich Respekt dafür, dass sie den SPD-Politiker mittrage, sagte Schröder bei einer Buchvorstellung in Berlin. Schröder wertete den Schritt als Erfolg von SPD-Chef Gabriel. „Steinmeiers Kür zeigt, dass sich Standhaftigkeit auszeichnet.“ Er habe Steinmeier in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident kennengelernt, als dieser sich als Medienreferent beworben habe. Ob Steinmeier einmal Bundespräsident werde, habe er sich damals nicht gefragt. „Dass er ein sehr guter werden wird, das ist mir jedenfalls klar.“

Von der Leyen: "Freue mich für Steinmeier"

Steinmeier änderte seine Reisepläne am Montag kurzfristig. Anstatt wie geplant von Brüssel direkt weiter nach Ankara zu reisen, flog der Minister gegen 13.00 Uhr nach Berlin. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortete der SPD-Politiker, er sei „gefasst“. Wen er in Berlin trifft, war zunächst unklar. Amtsinhaber Joachim Gauck, der sich auf einer Japan-Reise befand, wollte sich zum Vorschlag nicht äußern.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen äußerte sich positiv. „Wenn es in diesen Zeiten etwas braucht, dann ist es Verlässlichkeit und Stabilität. Und so wie ich ihn kennengelernt habe und wir jetzt seit drei Jahren gut miteinander gearbeitet haben, weiß ich, dass er das auch leisten wird“, sagte die CDU-Politikerin am Rande eines EU-Ministertreffens in Brüssel. „Ich freue mich für Frank-Walter Steinmeier.“

Nach der Entscheidung für Steinmeier erhob der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt den Anspruch der Union auf das Auswärtige Amt. "Was für den Bundespräsidenten gilt, nämlich dass der beste Bewerber es werden möge, gilt auch für den Bundesaußenminister", sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion "Zeit Online". Er sehe in den Reihen der SPD aber niemanden, der dieses Amt mit dem gleichen Gewicht ausfüllen könne wie derzeit Steinmeier, sagte Hardt weiter. Er ist auch Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. "Deswegen sollte der nächste Außenminister aus den Reihen der Union kommen", forderte Hardt. Namen wollte er nicht nennen.

Grüne: Respektabler Kandidat

Die Grünen-Spitze nannte Steinmeier einen „respektablen Kandidaten“ für das Amt. Steinmeier sei weltoffen und verbindend, „auch wenn wir nicht mit all seinen Positionen einverstanden sind“, erklärten die Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir und die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreifer gemeinsam. „Als Grüne werden wir den Kandidaten Steinmeier zu einem Gespräch einladen, um mit ihm über seine Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenhalt, die Rolle Deutschlands in der Welt, das gemeinsame Europa und die existenzielle Verantwortung für das Weltklima zu reden.“

Linke will eigenen Vorschlag machen

Bei der Linkspartei läuft es nach der Einigung der großen Koalition auf die Aufstellung eines eigenen Präsidentschaftskandidaten hinaus. Die Idee eines gemeinsamen rot-rot-grünen Kandidaten war von der Führung schon vor Tagen für tot erklärt worden.

Wenn Steinmeier also ein so ausgezeichneter Politiker sein soll, dann wäre er als Außenminister besser aufgehoben als als Bundespräsident. Die SPD verliert dann auch ein wichtiges Wahlkampfpferd. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb sich die Union mit dem Vorschlag einverstanden erklärt hat?

schreibt NutzerIn fiffikronsbein2

Am Montag sagte Linken-Parteichefin Katja Kipping dem Tagesspiegel: „Es zeigt sich, dass Steinmeier kein Angebot an Die Linke, sondern an Schwarz-Rot ist.“ Sie kündigte an, dass sich am kommenden Montag Fraktions- und geschäftsführender Parteivorstand der Linken treffen würden, um über die Aufstellung eines gemeinsamen Kandidaten zu beraten. Namen möglicher Kandidaten nannte sie nicht. Als Kriterien für einen Präsidentschaftskandidaten hatte die Linke zuvor bereits formuliert: Weltoffenheit, Verständnis für soziale Gerechtigkeit, friedliche Außenpolitik.

Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Janine Wissler ergänzte: „Steinmeier ist kein Angebot an die Linke, sondern eine Absage. Wer Steinmeier aufstellt, will gar nicht unsere Stimmen.“ Die Zustimmung zu einem Kandidaten aus der amtierenden Bundesregierung würde viel von der Kritik an der GroKo relativieren. Steinmeier sei „unwählbar“, sagte Wissler dem Tagesspiegel.

Die FDP will nun prüfen, ob sie Steinmeier in der Bundesversammlung ebenfalls wählen wird. Der Parteivorsitzende Christian Lindner bezeichnete den Kandidaten der großen Koalition bei Twitter als "respektable Persönlichkeit". Man wolle ihm "jetzt genau zuhören und dann entscheiden". Lindner zeigte sich "erleichtert, dass das peinliche Machtspiel beendet ist", aber überrascht, dass die Union ihre "große Mehrheit" nicht genutzt habe. "Wettbewerb wäre spannend gewesen."

CSU wollte lange Unionskandidaten

Der Entscheidung waren vergebliche Anläufe der Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien vorangegangen, einen gemeinsamen Kandidaten zu finden, zuletzt am Sonntag. Merkel und Seehofer informierten am Montagmorgen die Spitzen ihrer Parteien in Telefonschalten über den Stand der Dinge.

Die CSU hatte Merkel lange zu einem Unionskandidaten gedrängt, weil CDU und CSU in der Bundesversammlung, die den Präsidenten am 12. Februar wählt, die größte Gruppe stellen. Scheuer kritisierte bei „Bild.de“ am Montag zwar erneut das Vorpreschen Gabriels in der Kandidatenfrage - Gabriel hatte Steinmeier schon vor Wochen als hervorragenden Bewerber bezeichnet.

Zugleich sagte Scheuer aber über Steinmeier, dieser sei „ein guter Kandidat in diesen außenpolitisch so herausfordernden Zeiten“. Scheuer ergänzte: „Am Wochenende hat man ja gesehen, dass alle grünen Flirts beendet sind.“ Zuvor war darüber spekuliert worden, dass die Union Baden-Württembergs grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann benennen könnte. Scheuer sagte, nun gehe es „dem Endspurt entgegen mit wichtigen Gesprächen heute“.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen hatte Gabriel am Sonntagabend in der ARD eine Mitschuld an der wochenlangen Hängepartie um die Gauck-Nachfolge gegeben. Der SPD-Chef habe „den Prozess der Findung eines Kandidaten nicht vereinfacht“. Gabriel sei vorgeprescht und habe mit Außenminister Steinmeier ein SPD-Mitglied vorgeschlagen. Die Präferenz der Union sei es gewesen, „dass die Koalition einen gemeinsamen Kandidaten vorschlägt“. Gauck war im Februar 2012 zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Der 76-Jährige will aus Altersgründen nicht wieder kandidieren. Gauck war gemeinsamer Kandidat von Union, FDP, SPD und Grünen und hatte im ersten Wahlgang eine überragende Mehrheit erhalten.

Der neue Bundespräsident wird am 12. Februar von der Bundesversammlung gewählt. Gauck hatte aus Altersgründen bereits im Sommer seinen Verzicht auf eine zweite Kandidatur erklärt.

Der Bundesversammlung gehören die 630 Abgeordneten des Bundestages an sowie die gleiche Anzahl an Ländervertretern. Bei 1260 Mitgliedern ist im ersten Durchgang gewählt, wer 631 Stimmen schafft. Union und SPD zusammen verfügen über die überwältigende Mehrheit von mindestens 928 Stimmen.

Steinmeiers Mutter zur Vorentscheidung: „Höher kann er nicht mehr“

Die Mutter von Frank-Walter Steinmeier hat ihrem Sohn jedenfalls schon mal ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie halte ihn für geeignet, sagte Ursula Steinmeier dem „Westfalen-Blatt“. „Er ist besonnen, ehrlich, vermittelnd und niemals aufbrausend. Von dem werden Sie kein lautes Wort hören.“ Sie sei „von großem Mutterstolz erfüllt“, sagte die 87-Jährige, die in Schieder-Schwalenberg im Kreis Lippe wohnt. „Höher kann er ja nun nicht mehr.“

Steinmeiers Bruder Dirk bezeichnete den Außenminister als großen Vermittler. „Wenn andere denken, dass nichts mehr geht, macht er weiter. Er bringt Gegner an einen Tisch und schafft es, Lösungen zu erreichen“, sagte der 54-Jährige der Online-Ausgabe des „Westfalen-Blatts“. Der auch von der Union als Kandidat für das höchste Staatsamt akzeptierte SPD-Politiker Steinmeier soll am Mittwoch offiziell präsentiert werden. (mit AFP, dpa, Reuters)

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