Pläne zur EU-Reform: Merkel nähert sich Macron an
Erstmals hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vorsichtig Unterstützung für einige der französischen EU-Reformpläne signalisiert.
In der Debatte um eine EU-Reform hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) konkret Stellung bezogen. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" signalisierte sie vorsichtige Unterstützung für Vorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron etwa zu Investitionen für die Eurozone und zu einer europäischen Eingreiftruppe. Frankreich reagierte erfreut: Merkel "nähert sich der französischen Sichtweise an", erklärte der Elysée-Palast am Sonntagabend.
In dem Interview gab Merkel lange erwartete Antworten auf Macrons Reformvorschläge. Bis zum EU-Gipfel Ende Juni wollen Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Position erarbeiten, die sie dann den anderen EU-Ländern zur Diskussion vorlegen. Nach Angaben aus Paris wollen sich Merkel und Macron Ende der Woche am Rande des G7-Gipfels in Kanada treffen, um weiter über die gemeinsame Position zu beraten.
Zu dem diskutierten Aufbau eines Investitionshaushalts für die Eurozone sagte Merkel, dieses Budget solle im "unteren zweistelligen Milliardenbereich" liegen. Nach ihrer Vorstellung soll der Investitionshaushalt genutzt werden, um wirtschaftliche Unterschiede in der Eurozone auszugleichen.
Offen ließ Merkel, ob dieser Haushalt zum regulären EU-Budget gehören soll. In ihrer Partei hatte es Kritik daran gegeben, einen neuen Finanztopf außerhalb des EU-Budgets einzurichten.
Macron wirbt seit Monaten intensiv für seine Reformvorschläge und setzt dabei auf eine Zusammenarbeit mit Deutschland. Wegen der langwierigen Regierungsbildung in Berlin bekam er jedoch lange keine klare Rückmeldung der Bundesregierung. Nachdem Macron von manchen seiner ehrgeizigen Pläne bereits abgelassen hat, ist durch Merkels Interview nun absehbar, in welche Richtung die deutsch-französischen Vorschläge gehen könnten.
SPD-Chefin Andrea Nahles begrüßte Merkels Zustimmung zum EU-Investitionstopf
Merkels Äußerungen zeugten von einer "positiven Bewegung", die das "europäische Engagement der Kanzlerin und ihrer Regierung" belegten, lobte der Elysée-Palast am Abend. In den "kommenden Wochen" seien aber noch weitere Beratungen nötig. "Das ist der einzig mögliche Weg für eine Stärkung der Eurozone und der Europäischen Union".
SPD-Chefin Andrea Nahles begrüßte die Zustimmung der Kanzlerin zu einem EU-Investitionstopf. "Das ist doch sehr erfreulich, das sind doch ganz neue Töne von Frau Merkel", sagte Nahles im ARD-"Sommerinterview". Es brauche für die Zukunft Europas Investitionen in Strukturreformen und in den Abbau sozialer Unterschiede.
Ein weiteres Vorhaben ist, den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds weiterzuentwickeln. Merkel schlug vor, Ländern mit kurzfristigen Krediten zu helfen, die durch äußere Umstände in Schwierigkeiten geraten.
Damit kommt die Kanzlerin Macron entgegen. Sie formulierte aber auch klare Bedingungen für eine solche Unterstützung: "Immer gegen Auflagen natürlich, in begrenzter Höhe und mit vollständiger Rückzahlung."
Unterstützung bekundete Merkel für den ebenfalls von Macron vorgeschlagenen Aufbau einer europäischen Eingreiftruppe. Eine solche "Interventionstruppe mit einer gemeinsamen militärstrategischen Kultur" müsse aber in die bestehende "Struktur der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit" der EU eingepasst sein, sagte Merkel der "FAS".
Sie bezog sich damit auf die Zusammenarbeit der Europäischen Union in Verteidigungsfragen. Macron hatte vorgeschlagen, eine Truppe für anspruchsvolle Kampfeinsätze unabhängig von den sonstigen Verteidigungskooperationen innerhalb der EU aufzubauen.
Der EU-Gipfel Ende Juni gilt als letzter Termin, um vor der Europawahl 2019 zumindest noch kurzfristig mögliche Projekte auf den Weg zu bringen. "Endlich gibt es Töne aus dem Kanzleramt - wurde ja auch Zeit", kommentierte die Sprecherin der Grünen für Europapolitik, Franziska Brantner, die Äußerungen Merkels. Eine gemeinsame Währungsunion sei aber mehr als nur Wettbewerbsfähigkeit. "Es geht auch um den sozialen Zusammenhalt, und dazu schweigt sie." (AFP)