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Der frühere Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Er wies bereits 2017 auf die Missstände hin.
© Wolfgang Kumm/dpa

Angela Merkel und die Bamf-Affäre: SPD-Vize Stegner: „Die Kanzlerin hat schlicht versagt“

Die Bamf-Affäre rückt Angela Merkel gefährlich nahe. So soll der frühere Behördenchef Frank-Jürgen Weise die Kanzlerin zweimal über die Missstände aufgeklärt haben.

Besuche bei der Nationalmannschaft zählen zu jenen Aufgaben, die der Langzeitkanzlerin Angela Merkel auch nach 13 Jahren im Amt noch große Freude bereiten. Am Sonntagabend war es wieder so weit: Fußballfan Merkel flog per Hubschrauber in Südtirol ein, um der Elf von Bundestrainer Jogi Löw im Mannschaftshotel in Eppan die Aufwartung zu machen. Eine schöne Abwechslung von den Berliner Regierungsgeschäften, die sich zu einer zunehmend freudlosen Angelegenheit entwickeln.

Da ist die Krise Europas, die Merkel zu schaffen macht, da ist der drohende Handelskrieg mit den USA. Und nun auch noch die Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die am Wochenende gefährlich nah an die Kanzlerin herangerückt ist.

Nach einem Bericht der „Bild am Sonntag“ soll Merkel 2017 vom früheren Behördenchef Frank-Jürgen Weise zweimal im direkten Gespräch über die Missstände beim Bamf und die Probleme bei der Prüfung der Asylverfahren informiert worden sein. Außerdem legte Weise dem Kanzleramt und dem Bundesinnenministerium offenbar bereits Anfang 2017 einen ungeschönten Bericht über die Misere vor. Noch nie habe er in seiner beruflichen Laufbahn eine Behörde in einem so schlechten Zustand erlebt, schrieb er in dem Papier.

Besonders hart ging Weise, der die Behörde von Herbst 2015 bis Ende 2016 leitete, mit dem Innenministerium ins Gericht, dem das Bamf untersteht und das damals von Minister Thomas de Maizière (CDU) geführt wurde. Es sei „nicht erklärbar“, wie das Ministerium davon ausgehen konnte, „dass das Bamf den erheblichen Zuwachs an geflüchteten Menschen auch nur ansatzweise bewerkstelligen könnte“. Eine wirksame Fachaufsicht des Ministeriums habe es nicht gegeben.

Kardinalfehler der Regierung aus Sicht Weises war die späte Reaktion auf die sich abzeichnende Flüchtlingskrise und die ansteigende Zahl unerledigter Fälle. „Ein funktionierendes Controlling hätte bereits im Jahr 2014 eine Frühwarnung gegeben“, kritisierte er in dem Papier, über das auch der „Spiegel“ berichtet. Es habe aber ein „Organisationsversagen in der Krise“ gegeben und einen „faktischen Konkurs“ des Bamf.

Für Angela Merkel sind das keine guten Nachrichten. Sie muss fürchten, dass der Streit über ihre Flüchtlingspolitik in aller Schärfe wieder aufflammt. Auf Rücksichtnahme oder gar Unterstützung des Koalitionspartners SPD kann die Kanzlerin nicht hoffen, im Gegenteil. Die beiden SPD-Vizevorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel und Ralf Stegner werfen der Regierungschefin Versagen vor.

Aus der SPD kommt scharfe Kritik an der Kanzlerin

Die Union habe die Missstände aus ideologischen Gründen ignoriert, da sie keine grundsätzliche Haltung zu Migrationsfragen entwickelt habe, sagte Schäfer-Gümbel dem Tagesspiegel. „Deshalb ist die Situation beim Bamf auch das politische Versagen des ehemaligen Flüchtlingskoordinators Altmaier und der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden.“ Die SPD habe immer wieder darauf hingewiesen, dass das Bamf auch Personal und Ausstattung brauche, um die Situation zu bewältigen.

Noch schärfer fällt Stegners Kritik aus: „Die Kanzlerin hat schlicht versagt.“ Merkel trage die volle Verantwortung „für die katastrophale Überforderung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und den damit verbundenen Kontrollverlust der wichtigsten Behörde in der Flüchtlingspolitik zu Lasten von Betroffenen und Kommunen sowie zum Nutzen der Rechtspopulisten.“ So hätten Merkel, die Innenminister der Union in Bund und Ländern sowie Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier alle Warnungen vor den Missständen beim Bamf ignoriert.

Der Wortführer des linken SPD-Flügels erinnerte zudem an Merkels ebenso berühmten wie umstrittenen Satz: „Wir schaffen das.“ Es gehe nicht an, einen solchen Satz zu sagen „und dann tatenlos zuzusehen, wie die zentrale Behörde scheitert, weil sie technisch und personell so schlecht ausgestattet ist, dass sie es nicht schaffen kann.“ Nicht die humanitäre Flüchtlingspolitik sei falsch gewesen, wie es Konservative in CDU und CSU und die AfD ständig behaupteten, „sondern Chaos und Missmanagement im Verantwortungsbereich der Union“.

Für die FDP, deren Chef Christian Lindner an diesem Montag seine Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik bekräftigen will, kommen die Enthüllungen über Merkel und das Bamf gerade recht. Die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg, mahnte schnelle Aufklärung im Innenausschuss des Bundestages an. „Wir haben darum alle Vermerke und Berichte sowie Gesprächsprotokolle aus dem Kanzleramt angefordert.“ Merkel selbst ließ die Berichte über ihre Gespräche mit Weise am Sonntag zunächst nicht dementieren. Ein Regierungssprecher erklärte lediglich: „Die Bundeskanzlerin stand mit Herrn Weise seit dessen Berufung zum Leiter des Bamf bis zum Ende seiner Tätigkeit immer wieder in Kontakt.“

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