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Da geht doch noch was. CDU-Chefin Angela Merkel hat die Jamaika-Koalition längst noch nicht aufgegeben. Grüne und FDP sind skeptischer.
© Michael Kappeler/dpa

Jamaika-Sondierungsverhandlungen: Merkel möchte mehr Mühe

Bei den Sondierungen für eine Jamaika-Bundesregierung prallen Kulturen und Erfahrungen aufeinander. Der Grüne Trittin zweifelt, Kubicki (FDP) erwägt Neuwahlen – die Kanzlerin verlangt Klarheit.

Über die Gespräche der Jamaika-Chefs dringt gemeinhin nichts nach draußen. Am Freitag muss man aber kein Sherlock Holmes sein, um Thema und Ergebnis der morgendlichen Runde zu erkennen. Die vier Parteien müssten jetzt klären, „was ist wichtig, was ist wesentlich für den Abschluss von Sondierungsgesprächen und die Entscheidung darüber, ob wir Koalitionsverhandlungen durchführen“, sagt Angela Merkel, bevor sie von der kleinen in die große Runde zum Bilanzziehen geht. Übers Wochenende müsse jede Partei ihre Positionen „verdichten auf Kernfragen“, sagt wenig später Grünen-Chef Cem Özdemir. FDP-Chef Christian Lindner scheint damit schon fertig. Er stellt als letzter vor den Kameras „die fünf großen Themen, die wir anmelden werden“ vor, von Bildung über Einwanderungsgesetz bis Europa.

Man kann diese Auftritte auch in einem Satz zusammenfassen: Wir haben verstanden, dass es so nicht weiter geht. Selten dürfte Jürgen Trittin derart in aller Namen gesprochen haben wie mit der ernüchternden Bilanz der Sondierungen, die der Grüne im ARD-„Morgenmagazin“ zieht: „Wir haben zehn Tage zusammen gesessen. Zwölf Themen. Das Ergebnis sind acht Papiere mit langen Listen von Dissensen, also zu klärenden Fragen. Und in vier Bereichen hat man es nicht mal geschafft, sich darauf zu verständigen, worüber man sich nicht einig ist.“

Wenn er jetzt noch hinzugefügt hätte „... und zwischendurch haben sich die angeblichen zukünftigen Partner andauernd beschimpft und bedroht wie die Kesselflicker“, wäre das Bild der zwei Wochen komplett. Trittin spielt dieses Spiel gleich selber noch mal. „Wir stellen fest, dass andere der Auffassung sind: Wir geben nichts“, rügt der Grüne. So werde das nichts mit der Jamaika-Koalition.

Das ist indes sanfte Kritik gemessen an der jüngsten Wortmeldung des Wolfgang Kubicki. Der FDP-Vize war zwei Tage nicht dabei, umso furioser seine Rückmeldung via „Märkische Allgemeine“. Erst teilt er gegen Merkel aus („Frau Merkel scheint wie immer auf die eine Nacht der langen Messer zu setzen“), unterstellt dann der CDU Kumpanei mit den Grünen („Das kann man fast schon körperlich spüren“), und droht zuletzt: „Wir werden dokumentieren, dass unser Wahlerfolg keine Eintagsfliege war. Die FDP hat keinerlei Angst vor Neuwahlen!“

Sigmund Freud hätte seine Freude an den Superlativen der Uneinigkeit

Man muss kein Sigmund Freud sein, um in den großen Sätzen einen kleinen Minderwertigkeitskomplex zu hören. Die Sorge ist offenbar, nach vier Jahren Abwesenheit im Reichstag von einer eingespielten Berliner Seilschaft untergebuttert zu werden. Laut zugeben würde das kein Freidemokrat. „Wir haben extrem starke Nerven!“ versichert Lindner. Dass er dafür einen extrem starken Superlativ benutzt, lässt auch andere Schlüsse zu.

So oder so – die Streitkultur hat ein Niveau erreicht, dass sich Merkel zum Eingreifen genötigt sieht. Die Kanzlerin hat sich seit Beginn der Sondierungen so hartnäckig öffentlich zurückgehalten, dass die Agentur dpa ihre wenigen Sätze unter der sensationsheischenden Überschrift „Merkel bricht ihr Schweigen“ verbreitet.

Dabei war das Schweigen pädagogisch gemeint, als Vorbild für andere. Die wenigen Sätze sind es auch. Die zwei Wochen hätten gezeigt, dass der „Angang“ der vier Partner unterschiedlich sei, und es werde weiter schwierig bleiben. „Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können, wenn wir uns mühen und anstrengen“, sagt die CDU-Chefin. So klingt Tadel in netter Form. Nötig sei jetzt Konzentration aufs Wesentliche „in der Art und Weise, dass jeder Partner dabei auch seine Identität zur Geltung bringen kann“. Die CDU jedenfalls sei zu solchem Vorgehen bereit.

Da mögen die anderen nicht nachstehen. Özdemir zählt kleinere Punkte auf, bei denen es Einigkeit gibt. Ko-Chefin Katrin Göring-Eckardt findet es „nicht verwunderlich“, dass derart unterschiedliche Parteien noch nicht zusammen seien. CSU-Chef Horst Seehofer gibt zu, am Gezänk seien „so ziemlich alle“ beteiligt gewesen, und findet: „Deshalb können wir auf den Reset-Knopf drücken.“

Und Lindner erklärt die magere Bilanz einfach zur Absicht: „Es war nicht das Ziel während der ersten Phase, überhaupt eine einzige Lösung zu finden.“ Aber hat nicht der scheidende bayerischer FDP-Landeschef Albert Duin die Jamaika-Koalition schon als „Totgeburt“ abgeschrieben? „Herr Duin“, sagt Lindner, „hat nicht an einer Runde teilgenommen.“

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