zum Hauptinhalt
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel beim Politischen Aschermittwoch in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern).
© Stefan Sauer/dpa
Update

Journalist in türkischer Haft: Merkel fordert Freilassung von Deniz Yücel

Die Bundeskanzlerin erhöht den Druck auf die Türkei. Beim Politischen Aschermittwoch kündigt sie an, die Regierung werde "alles in ihrer Macht stehende tun", damit der Journalist Yücel aus der Haft entlassen wird.

Der Ton wird schärfer im deutsch-türkischen Verhältnis, zumindest ein wenig. Zunächst hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Verhaftung des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel „bitter und enttäuschend“ genannt – und ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, „dass er bald seine Freiheit zurückerlangt“.

Bei ihrer Aschermittwochsrede in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern wurde Merkel nun deutlicher: „Wir denken an diesem Abend auch an Deniz Yücel, der in Untersuchungshaft in der Türkei sitzt und dessen Freilassung wir fordern“, sagte sie. Die Bundesregierung werde „alles in ihrer Macht stehende tun, damit das geschieht.“ Sie mahnte auch die Achtung der Pressefreiheit an. „Journalisten müssen ihre Arbeit machen können“, sagte Merkel. „Die Tatsache, dass es freie, unabhängige Medien in unserer Demokratie gibt, ist ein Teil dieser Demokratie und darf niemals infrage gestellt werden, auch wenn es unbequem ist.“ Yücel habe nichts anderes getan, als seiner journalistischen Arbeit nachzugehen.

Zuvor hatte sich auch Merkels Sprecher Steffen Seibert zu dem Fall kritisch geäußert. Gegen Yücel, der sich freiwillig gestellt habe, sei „in unverhältnismäßiger Weise Untersuchungshaft verhängt worden“, sagte Seibert. „Es darf nicht sein, dass Menschen einfach so auf längere Zeit in Gefängnissen verschwinden.“ Durch den Fall Yücel sei das deutsche Verhältnis zur Türkei belastet. „Wir wollen diese Belastung nicht. Sie schadet beiden Seiten.“

Deniz Yücel drohen bis zu zehneinhalb Jahre Haft

Yücel, der neben dem deutschen auch einen türkischen Pass besitzt, wurde in ein Gefängnis in der Stadt Silivri verlegt, mehr als 70 Kilometer westlich von Istanbul. Nachdem der Korrespondent der „Welt“ 13 Tage in Polizeigewahrsam verbracht hatte, war am Montag ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden. Die türkischen Ermittlungsbehörden werfen ihm Terrorpropaganda und Volksverhetzung vor. Sein Anwalt Veysel Ok sagte der Nachrichtenagentur AFP, im Falle einer Verurteilung drohten Yücel bis zu zehneinhalb Jahre Haft. Der Anwalt hat bereits Beschwerde gegen die Inhaftierung des Journalisten eingelegt, eine Entscheidung darüber wird bis Donnerstag erwartet. Das Verteidigerteam hat keine Einsicht in die Ermittlungsakten.

Die Bundesregierung forderte am Mittwoch außerdem Zugang zu Yücel und weiteren in der Türkei inhaftierten Deutschen. Außer Yücel sind noch fünf deutsche Staatsbürger in Untersuchungshaft; vier von ihnen haben auch einen türkischen Pass. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, ihnen würden Straftaten im Zusammenhang mit dem Putschversuch vorgeworfen.

Der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel.
Der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel.
© privat/epd

Wenn türkische Behörden einen Deutschen hinter Gitter bringen, wird das zuständige deutsche Konsulat benachrichtigt. Allerdings gilt diese völkerrechtliche Verpflichtung nicht gleichermaßen für Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit. Wird also jemand in der Türkei festgenommen, der neben dem deutschen auch einen türkischen Pass hat, kann eine konsularische Betreuung nicht stattfinden.

Dieses Problem war auch eines der Themen in dem Gespräch mit dem türkischen Botschafter am Dienstagabend im Auswärtigen Amt. „Wir haben darauf gedrungen, dass wir jetzt vollumfänglichen konsularischen Zugang zu Deniz Yücel bekommen, damit ihn deutsche Konsularbeamte in der Untersuchungshaft bestmöglich betreuen können“, sagte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD).

Generalsekretär des Europarates kritisiert die Türkei

Die türkische Regierung wies unterdessen den Vorwurf zurück, das Vorgehen gegen Yücel und zahlreiche andere inhaftierte Journalisten in der Türkei sei politisch motiviert. „Das sind Urteile der unabhängigen türkischen Justiz und keine politischen Urteile“, sagte Justizminister Bekir Bozdag in Straßburg auf eine Frage zur Verhaftung Yücels. „Die Türkei ist ein demokratischer Rechtsstaat.“

Zuvor hatte sich Bozdag mit dem Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland, getroffen. In dem Gespräch ging es um das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Personen, die Ankara mit dem Putschversuch im Juli vergangenen Jahres in Verbindung bringt. Zehntausende Staatsbedienstete wurden entlassen und tausende festgenommen. Jagland kritisierte, dass viele von ihnen schon monatelang in Untersuchungshaft seien, und mahnte die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention an. Zugleich betonte Jagland, dass sich inhaftierte Journalisten und Abgeordnete aus der Türkei an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden könnten.

Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist durch das repressive Vorgehen der Regierung in Ankara ebenfalls belastet. „Die Europäische Kommission ist sehr besorgt über die große Zahl an Verhaftungen von Journalisten in der Türkei und die selektive Anwendung der Anti-Terror-Gesetzgebung“, sagte Erweiterungskommissar Johannes Hahn der „Welt“. „Der Fall von Deniz Yücel zeigt leider, wie berechtigt diese Sorgen sind.“ Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind derzeit faktisch auf Eis gelegt. „Die EU hat wiederholt betont, dass die Türkei als Kandidatenland die höchsten demokratischen und rechtsstaatlichen Standards einhalten muss, insbesondere was die Meinungs- und Medienfreiheit betrifft“, sagte Hahn.

Türkischer Justizminister kommt nach Deutschland

Unterdessen fordern in Berlin Politiker mehrerer Parteien, dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan zu untersagen, in Deutschland um Zustimmung der im Land lebenden Türken zu einem Präsidialsystem zu werben. Ein entsprechendes Referendum in der Türkei ist am 16. April geplant. Doch bisher hat die Bundesregierung keinen Hinweis darauf, dass Erdogan überhaupt einen Besuch in Deutschland plant. Justizminister Bozdag allerdings soll offenbar an diesem Donnerstag im baden-württembergischen Gaggenau auftreten, um für Erdogans Referendum zu werben.

Claudia von Salzen

Zur Startseite