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Autokorso am Kanzleramt: Die Kritik an der Inhaftierung von Deniz Yücel in der Türkei ist groß.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

Untersuchungshaft in der Türkei: Bundesregierung fordert rasche Freilassung von Deniz Yücel

Die Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel belastet das deutsch-türkische Verhältnis weiter. Auch aus Brüssel kommen kritische Töne.

Die Bundesregierung fordert die türkischen Behörden auf, den in Untersuchungshaft genommenen „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel möglichst umgehend freizulassen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch in Berlin: „Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung erwarten, dass Yücel so bald wie möglich wieder auf freien Fuß kommt.“ Kanzlerin Angela Merkel bedauere die Inhaftierung und halte sie für eine „unverständliche Entscheidung“.

Seibert wies darauf hin, dass Yücel sich aus freien Stücken den Behörden gestellt habe. Deshalb sei es unverhältnismäßig, ihn in U-Haft zu nehmen. Die Bundesregierung erwarte eine faire und rechtsstaatliche Behandlung und dringe darauf, dass deutsche Konsularbeamte die Möglichkeit bekommen, den Journalisten umfassend zu betreuen. Dies gelte auch für andere in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsbürger.

Inhaftierung "schadet beiden Seiten"

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam hatte ein Haftrichter in Istanbul am Montagabend Untersuchungshaft für Yücel angeordnet. Diese kann fünf Jahre dauern, bis es zur Freilassung oder zu einem Prozess kommt. Yücel werden Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung vorgeworfen. Am Mittwoch wurde er vom Istanbuler Gefängnis Metris in die rund 80 Kilometer entfernte Haftanstalt Silivri gebracht. "Dort dürfte er seine weitere Untersuchungshaft verbringen", berichtet die "Welt".

Regierungssprecher Seibert sagte, der Fall Yücel belaste das Verhältnis zur Türkei, das schon vorher durch Einschränkungen demokratischer Freiheiten beeinträchtigt gewesen sei. „Wir wollen diese Belastung nicht. Sie schadet beiden Seiten.“ Eine Aufkündigung des Flüchtlingsabkommen mit der Türkei würde aber niemandem nützen.

EU-Beitritt: Brüssel ermahnt die Türkei wegen Yücel

Auch die EU-Kommission hält an dem Abkommen fest, verknüpfte den Fall Yücel am Mittwoch aber mit dem EU-Beitritt der Türkei. Als Beitrittskandidat müsse das Land „die höchsten demokratischen Standards und Praktiken erfüllen“, sagte eine Sprecherin am Mittwoch auf Anfrage in Brüssel.

„Wir erklären unsere Solidarität mit dem Korrespondenten“, erklärte sie mit Blick auf den Korrespondenten der Tageszeitung „Die Welt“, der sich in Untersuchungshaft befindet. Generell sei die EU-Kommission „ernsthaft besorgt über die Inhaftierung einer hohen Zahl von Journalisten und die selektive und willkürliche Anwendung der Anti-Terror-Gesetzgebung“ in der Türkei.

Der für die Beitrittsgespräche federführende Erweiterungskommissar Johannes Hahn sagte der „Welt“, der Fall Yücel zeige, wie berechtigt die Sorgen der Europäischen Union seien. Nach Angaben seiner Behörde soll das Thema daher weiter auf der Agenda der EU-Türkei-Beziehungen stehen.

Bundespräsident Gauck zweifelt an Rechtsstaatlichkeit der Türkei

Am Dienstagabend hatte bereits Bundespräsident Joachim Gauck Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Türkei geäußert. Bei einem Treffen mit Korrespondenten ausländischer Medien in Berlin sagte er: "Was derzeit in der Türkei passiert, weckt erhebliche Zweifel, ob die Türkei ein Rechtsstaat bleiben will. Das sollte sie aber tun, wenn sie eine lebendige Demokratie sein will."

Die Inhaftierung Yücels kritisierte Gauck als "Attacke auf die Pressefreiheit", wegen der er sehr besorgt sei und für die ihm das Verständnis fehle. (dpa, epd, AFP)

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