Berichte über Vertreibung: Menschenrechtler sprechen von Völkermord an den Rohingya
Die Vorwürfe werden immer massiver: Jetzt werten Menschenrecht-Aktivisten das Vorgehen Myanmars gegen die muslimische Minderheit der Rohingya als Genozid.
Menschenrechtsexperten stufen die Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar als Völkermord ein. Es gebe "zunehmend Beweise" für diese Anschuldigung, erklärten die Menschenrechtsorganisation Fortify Rights und das Holocaust-Museum in Washington.
Als Belege werden unter anderem Opfer mit durchgeschnittener Kehle angeführt. Andere Opfer seien vom Militär bei lebendigem Leib verbrannt worden.
Auch die Vereinten Nationen sprechen von "ethnischen Säuberungen", zuletzt hatte auch schon der französische Präsident Emmanuel Macron von einem "Völkermord" gesprochen.
"Verbrechen gegen die Menschlichkeit"
Die Autoren von Fortify Rights haben nach eigenen Angaben mit mehr als 200 Überlebenden und Menschenrechtler gesprochen, um gewaltsame Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen die Rohingya von Oktober bis Dezember 2016 und ab Ende August 2017 zu dokumentieren.
Ein 30-seitiger Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Sicherheitskräfte des südostasiatischen Landes zumindest "Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen begangen haben".
Zu diesem Schluss kommt auch Human Rights Watch. Die Vergewaltigungen zahlloser Frauen und Mädchen durch Soldaten und andere Gräueltaten seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein "wichtiges Instrument der ethnischen Säuberungen", heißt es in einem Report. Unzählige Frauen und Mädchen seien verletzt und traumatisiert worden.
Die Kinderrechtsorganisation Save the Children beklagt ebenfalls systematische Gewalt an den Rohingya. Kinder und ihre Familien erlitten „unvorstellbare Grausamkeiten“, heißt es in einem Bericht. So habe eine 24-Jährige mitansehen müssen, wie ein Soldat einer Mutter ihr Baby entriss und es ins Feuer warf. Auch soll es immer wieder zu schweren Misshandlungen von Minderjährigen kommen.
600.000 Menschen geflohen
Save the Children zufolge handelt sich um Schilderungen von Rohingya, die sich im Lager Cox’s Bazar in Bangladesch aufhalten. Mehr als 600.000 Muslime sind seit Ende August vor Myanmars Militär in das Nachbarland geflohen. Nach Schätzungen sind 60 Prozent der Flüchtlinge Kinder.
Am kommenden Dienstag werden laut Medienberichten aus der Region unter anderem die Außenminister Japans, Schwedens und Chinas zu einem Dialog-Forum in Myanmar erwartet. Den Angaben zufolge nimmt auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) an dem Treffen teil.
Save the Children forderte die Minister auf, Druck auf die Regierung von Myanmar auszuüben, um eine Untersuchung der Verbrechen zu erreichen. Außerdem müssten humanitäre Helfer ungehinderten Zugang erhalten. Gleichzeitig seien die Voraussetzungen für eine sichere freiwillige Rückkehr der Vertriebenen zu schaffen.
USA wollen vorerst keine Sanktionen verhängen
Trotz der massiven Vorwürfe wollen die USA Myanmar vorerst nicht mit Sanktionen unter Druck setzen. Bei einem Besuch in Myanmar bezeichnete US-Außenminister Rex Tillerson wirtschaftliche Strafmaßnahmen zum derzeitigen Zeitpunkt als "nicht ratsam". Allerdings sei seine Regierung "zutiefst besorgt über glaubwürdige Berichte von weitverbreiteten Gräueltaten", die myanmarische Sicherheitskräfte begangen haben sollen.
Suu Kyi sieht keine Versäumnisse
Amerikas Chefdiplomat äußerte sich in der Hauptstadt Naypyidaw bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Er drängte Myanmar dazu, eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe gegen die Streitkräfte zu akzeptieren. Nach solchen Ermittlungen könnten dann auch individuelle Strafmaßnahmen angebracht sein.
Suu Kyi wies den gegen sie erhobenen Vorwurf der Untätigkeit zurück: "Ich war nicht stumm", sagte sie. Sie verfolge lediglich das Ziel, keine weiteren Spannungen zu schüren. (mit AFP)
Christian Böhme
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