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Der SPD-Politiker Matthias Miersch auf dem SPD-Bundesparteitag.
© picture alliance/Michael Kappeler/dpa

Höhere Benzin- und Flugpreise: „Menschen nur über den Preis zum Klimaschutz zu zwingen, ist Harakiri“

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch spricht im Interview über Gerechtigkeit bei der CO2-Steuer und mehr Verantwortung großer Unternehmen beim Klimaschutz.

Herr Miersch, die SPD hat in Brandenburg abwenden können, dass die AfD stärkste Kraft wird. Dennoch hat die AfD gerade in der strukturschwachen Lausitz punkten können. Warum kommt SPD-Klimapolitik, die doch auf soziale Gerechtigkeit setzen will, dort nicht an?
Der Lausitz steht mit dem Ende der Kohleförderung ein tiefgreifender Strukturwandel bevor. Die AfD trat zur Wahl an mit der Behauptung, mit ihr bliebe alles beim Alten. Das ist natürlich blanker Populismus.

Allerdings haben viele Ostdeutsche in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Strukturwandel gemacht. Statt der von Helmut Kohl versprochenen blühenden Landschaften kam hohe Arbeitslosigkeit.

Die von der SPD durchgesetzte Kohlekommission hat konkrete Vorschläge zur Strukturentwicklung der betroffenen Regionen gemacht. Doch stehen diese bislang nur auf Papier. Es gilt jetzt diese Vorschläge zügig umzusetzen, damit vor Ort deutlich wird, dass die Region nach dem Kohleausstieg eine Zukunft hat. Nur so wird die Politik wieder Vertrauen schaffen.

Damit der Kohleausstieg klappt, braucht es erneuerbare Energien. Der Ausbau der Windkraft ist aber fast zum Erliegen gekommen. Ist es nicht längst Zeit für ein Notprogramm?
Ich finde es gut, dass Wirtschaftsminister Peter Altmaier nun zu einem Windkraftgipfel eingeladen hat. Ich verspreche mir davon konkrete Beschlüsse und mehr Klarheit für die Branche. Ein zentrales Problem ist, dass die Bürger sich im Planungsverfahren nicht mitgenommen fühlen.

Dann gibt es Baustellen im Bereich der Ausschreibung. Ich fordere da zum Beispiel einen Süd-Bonus, damit mehr Windanlagen auch im Süden gebaut werden. Zentral ist auch eine höhere finanzielle Beteiligung an den Erträgen aus Windkraftprojekten für Kommunen

Folgt man BMWi-Staatssekretär Thomas Bareiß, soll viel über Offshore aufgefangen werden.
Offshore spielt eine zentrale Rolle, aber selbst, wenn in diesem Bereich alles Potenzial ausgeschöpft wird, reicht es bei Weitem nicht, das 65-Prozent-Ziel zu erreichen. Genehmigungsverfahren bei Offshore dauern zudem mehrere Jahre. Wind an Land muss also ausgebaut werden.

Umweltministerin Svenja Schulze fordert eine CO2-Steuer. Aus der Union hört man, dass das den Menschen nicht zumutbar sei. Wie stehen Sie zu dem Instrument?
Ich als Sozialdemokrat sage ganz deutlich, dass wir eine CO2-Bepreisung brauchen, um die volkswirtschaftlichen Kosten von fossilen Energien real abzubilden. Bei den Erneuerbaren ist es ja so gelaufen, dass die Menschen den Aufbau mitfinanziert haben. Deswegen empfinden viele Menschen die Energiewende auch vergleichsweise als teuer.

Das Energiesteuersystem muss also grundsätzlich auf Fairness hin überprüft werden. Aber eine Lenkungswirkung einer CO2-Bepreisung in dem Sinne, dass man Menschen allein über den Preis zum Klimaschutz zwingt, halte ich für gesellschaftspolitisches Harakiri.

[Mehr zum Thema: So sehen die Klimapläne der großen Koalition aus]

Mit einer CO2-Steuer wird ein fossiler Lebensstil teurer, da müssen wir nicht drum herumreden.
Man wird sich deshalb ganz genau anschauen müssen, wie stark der Preis über die Zeit ansteigt und welche Auswirkungen das auf die Menschen hat. Falsch wäre es, den Preis so hoch zu machen, dass sich viele Menschen das Autofahren nicht mehr leisten können und gleichzeitig die Politik es versäumt, Alternativen aufzusetzen.

Für mich ist der CO2-Preis aber ohnehin nicht der zentrale Baustein im Klimaschutz. Wir werden auch gezielt Förderprogramme auflegen und Ordnungsrecht einsetzen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass das Klimakabinett am 20. September Beschlüsse vorlegen kann?
Ich glaube, dass die Kanzlerin im Kabinett die Macht besitzt, Klimaschutz durchzusetzen. Da ist sie weiter als mancher ihrer Bundesminister aus der Union. Deshalb bin ich positiv gestimmt, was den 20. September betrifft. Beileibe ist aber danach nicht alles gut.

Das Gesetzespaket muss dann ja noch durch den Bundestag gehen, das scheint mir gerade die höhere Hürde. Ich fürchte CDU und CSU könnten die dringenden Maßnahmen für den Klimaschutz am Ende des Tages blockieren.

Wie wird die SPD darauf reagieren?
Wir haben nicht umsonst in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass bis Ende 2019 ein Klimaschutzgesetz stehen muss. Und zwar muss dieses Klimaschutzgesetz seines Namens würdig sein. Konkret muss darin die Ressortverantwortlichkeit festgeschrieben werden.

Wir erleben seit Jahren, dass Verantwortung für den Klimaschutz von einem Ministerium ins andere geschoben wird.

Ist CO2-Bepreisung, sei es über Steuer oder Emissionshandel, eine Möglichkeit für den Staat, die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zu sichern?
Die Einnahmen eines CO2-Preises werden mit der Klimaprämie verrechnet, die es für jeden Bürger geben soll, damit man ihn beim CO2-Preis entlastet.

Aber es gibt andere Möglichkeiten: Wir werden auch über eine Luftverkehrsabgabe sprechen müssen. Ich bin außerdem ein großer Anhänger der Idee, grüne Zukunftsanleihen an die Bürger zu vergeben, damit sie sich an der Transformation beteiligen können.

Wie grün müssen die neuen SPD-Vorsitzenden sein?
Arbeitsplätze wurden in der Vergangenheit oft gegen den Klimaschutz ausgespielt. Die SPD ist die Partei, die die Dinge zusammen denken muss. Ich wünsche mir, dass die neuen Vorsitzenden in diese Richtung auch eine Vision skizzieren können.

Was hat wiederum die Industrie davon, wenn die SPD Klimaschutz stets unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit denkt?
Auch die Industrie sieht, dass es klare Rahmenbedingungen braucht. Erst Planungssicherheit verleiht den Unternehmen ja den nötigen Handlungsspielraum. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, Wirtschaft und die soziale Komponente gemeinsam zu denken.

Gerade der Industrie gegenüber war man in der Vergangenheit ja auch ausgesprochen großzügig: Die Industrie hat bei Klimaschutzauflagen immer Erleichterungen bekommen, damit sie im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Das prominenteste Beispiel: Große energieintensive Konzerne sind quasi ausgenommen von der Ökostrom-Umlage, kleine Konzerne müssen sie hingegen zahlen.

Wäre es also an der Zeit, die Abschaffung der Ausnahmeregelungen zu fordern?
Es ist auf jeden Fall an der Zeit, das gesamte Energiesteuerrecht zu reformieren und im Hinblick auf Gerechtigkeit abzuklopfen. Konzerne, die hohe Gewinne machen und die von der EEG-Umlage befreit sind, müssten über Steuern viel stärker an der Finanzierung der Erneuerbaren beteiligt werden.

Es ist außerdem an der Zeit, darüber nachzudenken, die Finanzierung des EEG komplett in den Haushalt umzulegen. Das hat im Übrigen schon der frühere CDU-Umweltminister Klaus Töpfer angeregt.

Ist das auch ein Thema für den 20. September?
Das wäre wünschenswert.

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