Wohin die Reise geht: So sehen die Klimapläne der großen Koalition aus
Beim Klimaschutz braucht die große Koalition Erfolge. Welche Vorschläge gibt es und wie groß sind ihre Chancen? Fragen und Antworten zum Thema.
Ohne großen Wurf kann die große Koalition schon bald zu Ende sein, deswegen spricht CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt von einem „Lackmustest“ für die große Koalition. Während die CDU sich noch sammelt, hat die CSU schon ein Konzept vorgelegt. Es liest sich zum Teil wie ein grünes Wunschkonzert von Klima-Anleihe bis zur „Offensive Deutschland-Wald“, um mit einer bundesweiten Aufforstung mehr CO2 zu speichern. Nach den großen Zugewinnen der AfD bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg ist der Lieferdruck für Union und SPD groß.
Es geht um eine Quadratur des Kreises: Den CO2-Ausstoß drosseln, auch mit höheren Preisen, und die Bürger nicht über Gebühr belasten, denn sonst könnte gerade im Osten, wo der bis 2038 geplante Kohleausstieg eine zusätzliche Hypothek ist, noch mehr wegbrechen.
Wie kann die Lösung beim Streitpunkt CO2-Bepreisung aussehen?
In der CDU gehen alle Signale in Richtung eines nationalen Emissionshandels für den Verkehrs- und Wärmebereich – das bedeutet, für Benzin, Gas und Heizöl müssen von Unternehmen, etwa Raffinerien, CO2-Verschmutzungsrechte erworben werden. Für die Industrie gibt es so ein System schon mit dem EU-weiten Emissionshandel. Auch die CSU unterstützt das nun – aber mit einer Preisobergrenze, um die Kosten berechenbar zu halten. Diese dürften ganz oder teilweise an die Verbraucher weitergereicht werden. Eine CO2-Steuer, die die SPD favorisiert, hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer schon vor Monaten abgelehnt.
Die Union ist gegen jede Form von Steuererhöhungen. Und die Steuer schert alles über einen Kamm, während sich beim Emissionshandel der Preis an aktuellen Entwicklungen orientiert. Wird wenig geheizt, sinken die Verschmutzungskosten – Unternehmen erhalten Anreize, durch eine Drosselung des Ausstoßes Kosten zu sparen. Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer hat Wahlkampf mit einem Nein zur CO2-Steuer gemacht, er hat auch die Pendler und Rentner auf dem Land im Blick.
Wo liegen die Risiken eines Emissionshandels?
Beim Zeitfaktor. Laut Energieexperten der Denkfabrik Agora Energiewende würde es zwei bis drei Jahre dauern, einen separaten Emissionshandel für den Verkehr- und Wärmebereich aufzusetzen, und das ist sogar die schnellste Variante. Das liegt am hohen administrativen Aufwand: Zu klären ist etwa, wer überhaupt an so einem Emissionshandel teilnehmen soll. Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat in seinem vielbeachteten Gutachten zur CO2-Bepreisung darauf hingewiesen, dass der Zeitfaktor ein deutlicher Nachteil sei.
Ein möglicher Kompromiss, dem auch die Wirtschaftsweisen zugewandt scheinen: Kurzfristig erstmal die CO2-Steuer einführen, damit schnell etwas für den Klimaschutz getan wird. SPD-Vizefraktionschef Matthias Miersch warnt, die Debatte darauf zu verengen: „Für mich ist der CO2-Preis nicht der zentrale Baustein im Klimaschutz. Wir werden auch gezielt Förderprogramme auflegen und Ordnungsrecht einsetzen.“
Gibt es eine „Rückerstattung“ an die Bürger?
Die SPD wirbt mit einer Pro-Kopf-Klimaprämie. Diese würde bei einem CO2-Einstiegspreis von 35 Euro je Tonne bei 100 Euro pro Kopf und Jahr liegen, und würde an jeden ausgezahlt, ob Baby oder Greis. Die Idee: Kinderreiche Familien, die beispielsweise auf dem Land leben und bei denen die Eltern weit zur Arbeit pendeln müssen, würden so entlastet – und könnten mit einem CO2-freundlichen Auto sogar Geld rausbekommen. Weitere Entlastungen, etwa über eine Erhöhung der Pendlerpauschale, sind auch im Gespräch. Damit sollen die Menschen mehr Zeit haben, auf saubere Mobilität umzustellen: sich also beim nächsten Kauf ein emissionsärmeres Auto oder ein E-Auto entscheiden – dies könnte auch über weitere Kaufanreize gefördert werden.
Natürlich ist auch die Politik gefragt: E-Auto-Ladeinfrastruktur muss her und mehr öffentlicher Nahverkehr, auch auf dem Land. CSU und CDU wollen zudem eine Reduzierung der Abgabe für die Förderung Erneuerbarer Energie (EEG-Umlage), die Teil des Strompreises ist, so ließen sich einige hundert Euro im Jahr bei den Stromkosten sparen. Zudem könnte es neue Steuerrabatte für eine bessere Gebäudedämmung geben.
Bis wann will man sich einigen?
Der große Tag ist der 20. September, wenn das Klimakabinett zum letzten Mal zusammenkommt. Natürlich werden die Parteien sich schon vorher mit den zuständigen Bundesministern rückkoppeln. Die Union-Arbeitsgruppe will ihre Vorschläge bis zum 16. September vorlegen. An dem Tag kommt auch der CDU-Bundesvorstand zusammen. Die SPD hat ihre Klimavorschläge bereits vor einigen Monaten vorgestellt. Zentral sind dabei das Klimaschutzgesetz, um das Einhalten der Ziele nach Sektoren konkret festzuschreiben, und die CO2-Bepreisung.
Das Datum 20. September ist fix, weil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) direkt danach zum UN-Klimagipfel nach New York fährt, wo die am Pariser Klimaabkommen beteiligten Staaten darlegen, wie sie ihre Klimaziele schaffen wollen. Deutschland verfehlt bereits das Ziel von 40 Prozent weniger an Treibhausgasen bis 2020 (im Vergleich zu 1990), ohne Klimapaket im Gepäck stünde Merkel mit leeren Händen da. So wie bisher lässt sich das Ziel von 55 Prozent weniger Treibhausgasausstoß bis 2030 nicht schaffen.
Was ist beim Fliegen, Bahnfahren und Fleischkonsum geplant?
„9-Euro-Tickets für Flüge innerhalb Europas haben weder mit Marktwirtschaft noch mit Klimaschutz etwas zu tun“, betont die CSU in ihrem Papier, die unter Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zunehmend „ergrünt“. Denkbar sei eine Besteuerung von Billigticket, die für unter 50 Euro angeboten werden.
Die CDU spricht sich in einem Arbeitspapier für eine höhere Ticketabgabe aus. „Die Kosten und Belastungen eines Fluges müssen sich zudem im Ticketpreis abbilden.“ Um mehr Menschen in die Züge zu locken, soll die Mehrwertsteuer auf Bahntickets von 19 auf 7 Prozent abgesenkt werden.
Die CSU spricht sich zudem dafür aus, die Bundesmittel für den Schienenverkehr auf drei Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. Ferner sollen Milliarden in den Ausbau von Rad- und Nahverkehr fließen. Um den klimaschädlichen Fleischkonsum zu reduzieren, könnte aus SPD-Sicht die Mehrwertsteuer auf Fleisch von sieben auf 19 Prozent erhöht werden – dazu findet sich aber nichts im CSU-Papier, Bayern hat eine hohe Bauerndichte.
Wie soll alles finanziert werden?
Um die Milliarden-Investitionen für neue Förderprogramme zu stemmen, schlägt die CSU eine Klima-Anleihe vor. Diese soll mit einer Rendite von zwei Prozent und einer Laufzeit bis 2030 ausgegeben werden. Bürger, die dem Staat auf diese Weise Geld leihen, könnten damit drohenden Negativ-Zinsen auf ihre Sparguthaben entgehen.