Urheberrecht endet am 31. Dezember: "Mein Kampf" von Adolf Hitler wird am 8. Januar vorgestellt
Das Urheberrecht des Staates Bayern an dem Buch "Mein Kampf" von Adolf Hitler läuft am 31. Dezember ab. Am 8. Januar wird es als wissenschaftlich kommentierte Ausgabe veröffentlicht. Die Erstauflage beträgt 4000 Exemplare.
Es gilt manchen als eines der gefährlichsten Bücher der Welt. Und das, obwohl sich „Mein Kampf“ von Adolf Hitler durch einen „prätentiösen Stil“ und „gedrechselte, wurmartige Perioden“ auszeichnet, wie es der Historiker Joachim Fest einmal beschrieb. Andere, wie Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, will das Buch im Schulunterricht lesen lassen. Neonazis lesen das Buch wenig, sagen Sicherheitsbehörden. Es wird zwar bei Razzien regelmäßig gefunden, aber eher als Sammlerstück. Wahrscheinlich ist die Lektüre dieses dicken, ermüdenden Wälzers für dieses Publikum zu anstrengend.
70 Jahre lang verhinderte der bayerische Staat, bei dem bislang die Rechte liegen, eine Neuauflage. In wenigen Tagen, am 31. Dezember 2015, läuft diese urheberrechtliche Schutzfrist aus. Theoretisch ist ein Nachdruck von Hitlers Schrift dann wieder möglich.
Dass dann unzählige Neuauflagen den Buchmarkt überschwemmen oder gar die Bestsellerlisten erobern, ist unwahrscheinlich. Bereits im Frühjahr 2014 hatten sich die Justizminister der Länder darauf verständigt, eine unkommentierte Verbreitung auch in Zukunft verhindern zu wollen. Eine Einordnung der Kampfschrift leistet die Ausgabe des renommierten und über alle Zweifel erhabenen Münchener Instituts für Zeitgeschichte, die am 8. Januar vorgestellt wird: „Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition“. Es handelt sich um eine historisch-kritische Ausgabe mit einer Vielzahl von Anmerkungen, an der Wissenschaftler seit etlichen Jahren arbeiten.
Einen ausführlichen Bericht zu diesem Projekt lesen Sie hier.
Auflage nur 4000 Exemplare
Rund 2.000 Seiten hat diese Ausgabe, die Auflage beträgt 4000 Exemplare. Sie ist damit mehr als doppelt so umfassend wie das Original, das Adolf Hitler nach seinem Putschversuch in Festungshaft in Landsberg 1924 begann. Radikaler Judenhass, die Forderung nach „Lebensraum im Osten“, die Errichtung einer Diktatur und der gewalttätige Kampf gegen innere Gegner zögen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch, sagt der Historiker Roman Töppel. Er ist einer der Herausgeber der historisch-kritischen Edition, die die beiden Bände von „Mein Kampf“ mit etwa 3.500 Anmerkungen ergänzt und kommentiert haben.
Die Historiker des Münchner Instituts für Zeitgeschichte haben es sich zum Ziel gesetzt, den Mythos um dieses Buch zu entzaubern. Es geht nach Institutsangaben um Fragen wie: „Wie entstanden seine Thesen?“, „Welche Absichten verfolgte er damit?“ und vor allem „Was lässt sich mit dem Stand unseres heutigen Wissens Hitlers unzähligen Behauptungen, Lügen und Absichtserklärungen entgegensetzen?“
Es ist ein umstrittenes Unterfangen. Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, bezweifelt, dass die kritische Edition Hitlers antisemitisches Machwerk entmystifizieren kann. „Die menschenverachtende und demokratiefeindliche, radikale Rhetorik kann immer noch eine verheerende Wirkungskraft entfalten“, sagt die Holocaust-Überlebende.
Das Buch war für Interessierte immer greifbar
Auch der bayerische Staat als Rechtsnachfolger des nationalsozialistischen Franz-Eher-Verlags tut sich schwer mit dem Erbe. 500.000 Euro Förderung flossen anfangs in das Projekt des Instituts für Zeitgeschichte. 2012 machte die Regierung einen Rückzieher. „Ich kann nicht einen NPD-Verbotsantrag stellen in Karlsruhe und anschließend geben wir sogar noch unser Staatswappen her für die Verbreitung von 'Mein Kampf'- das geht schlecht“, sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Der Sprecher des bayerischen Wissenschaftsministeriums, Ludwig Unger, erklärt den Richtungswechsel heute mit einem Israelbesuch des Kabinetts und den dort geführten Gesprächen mit Holocaust-Überlebenden.
Verhindern ließ sich die Verbreitung von Hitlers Hetzschrift schon in der Vergangenheit freilich nicht. Im Internet sind es nur ein paar Klicks zu dem Originaltext in deutscher Sprache. Auch das ist ein Grund dafür, warum das Institut für Zeitgeschichte davor warnt, das Buch weiter im Giftschrank wegzusperren: Dadurch werde der Mythos weiterhin befeuert, sagt Institutssprecherin Simone Paulmichl. „Aus unserer Sicht ist es die wirkungsvollste Art, Hitlers Propaganda dadurch unschädlich zu machen, dass man sie Stück für Stück widerlegt.“
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, teilt in gewisser Weise diese Einschätzung. Er ist zwar gegen eine Verbreitung des Originals, gegen die kommentierte Ausgabe des Instituts für Zeitgeschichte für Forschung und Lehre hat er keine Einwände. Vielmehr sieht er in einer kritisch-historischen Edition die Chance, „die rassistischen und antisemitischen Behauptungen des Machwerks zu entkräften.“ (Tsp/epd)