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Wohnungsbau im Europaviertel in Frankfurt am Main
© epd

Wohngipfel im Kanzleramt: Mehr Wohnungen für weniger Miete - so geht's

Sozialer Wohnungsbau und ein paar Korrekturen im Mietrecht - der Wohngipfel der Kanzlerin hat nicht alle überzeugt. Was geplant ist - und wie es besser ginge.

Immobilienbranche und Politik berieten zweieinhalb Stunden während des Wohngipfels im Bundeskanzleramt. Ein 13-seitiges Papier, das ein paar neue Ideen enthält und auch viel Bekanntes. Was geplant ist - und wie es besser ginge.

NEUBAU

Der Bund will Grundstücke „verbilligt“ abgeben, vor allem an die Länder, die dort günstigen Wohnraum schaffen können. Grundstücke gelten als die größten Kostentreiber im Wohnungsbau, und weil Spekulanten die Flächen unbebaut liegen lassen, kommt auch der Neubau nicht voran.Berlins Regierender Bürgermeister hat auf dem Wohngipfel außerdem die Bereitstellung von Grundstücken bundeseigener Konzerne wie der Bahn und der Post gefordert.

Das ist alles richtig, reicht aber nicht aus. Wo Wohnungsnot herrscht, sollten die Länder außerdem die Spekulation mit Grundeigentum stoppen und ganze Quartiere durch planerische Mittel zu Mietförderungsgebieten erklären.

Vorschläge dazu gibt es schon: die „Grunderwerbsteuer C“. Sie wird fällig, wenn ein Besitzer das baureife Grundstück zu lange hält ohne die Absicht, zu bauen. Verbände kritisieren, dass es eine solche Steuer schon einmal Anfang der 1960er gegeben habe. Sie sei wieder abgeschafft worden, weil sie ihre Wirkung verfehlt habe. Die Grundeigentümer hätten nicht schneller gebaut, das Bauland sei trotzdem noch rascher noch teurer geworden, weil die Extrasteuer beim Verkauf auf den Preis aufgeschlagen worden sei. Wirksamer könnte eine Bekämpfung der Baulandspekulation über Planungsvorschriften sein: Regulierungen zur Art der Bebauung und deren Nutzung. Das Berliner Modell geht in diese Richtung, gilt aber nur auf landeseigenen Flächen.

MIETBREMSE

Die Novelle der Mietpreisbremse durch Justizminister Katarina Barley (SPD) hat vor allem eins gezeigt: dass sich die Sozialdemokraten in den entscheidenden Fragen des Mieterschutzes nicht gegen die CDU durchsetzen können, die Bauherren und der Immobilienlobby ihr Ohr leiht. Das hat auch der Wohngipfel erneut gezeigt: Gleich zwei politische Schwergewichte, Finanzminister Olaf Scholz und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, forderten, dass hier „nachgelegt“ wird.

Wie es besser geht: Die Ausnahmen von der Mietpreisbremse müssen abgeschafft werden. Zum Beispiel die Ausnahmeregelung für Wohnungen, die umfassend saniert wurden und deshalb teuer vermietet werden. Ebenfalls von der Mietpreisbremse ausgenommen sind Wohnungen, die bereits vor Einführung der Regulierung teurer vermietet waren und deshalb nicht auf die am Ort übliche Durchschnittsmiete zuzüglich zehn Prozent ausgebremst werden.

Dagegen wollen nicht einmal Mietervertreter die Befreiung von neu gebauten Wohnungen von den Regulierungen der Mietpreisbremse aufheben. Hier besteht die Gefahr, dass dann noch weniger Wohnungen gebaut werden als bisher. Voraussetzung für die Mietpreisbremse ist außerdem ein wirksamer und allgemein anerkannter Mietspiegel. Auch hier muss der Bund handeln, indem er einheitliche Richtlinien für dessen Erstellung festlegt, um die Rechtssicherheit zu erhöhen.

VERBRAUCHERSCHUTZ

In Berlin und anderen Ballungsgebieten geht die Angst um: die Wohnung zu verlieren, aus dem Kiez gerissen zu werden und keine bezahlbare Unterkunft mehr zu finden. Der Bund will mit einer „Wohngeldreform“ helfen, die zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Auch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumsobjekten soll erschwert werden. Beides sind Maßnahmen zum Verbraucherschutz, die je nach konkreter Ausgestaltung helfen können gegen die Zudringlichkeiten des Marktes. Aber es fehlt an einem zusammenhängenden Konzept.

Wie es besser geht, zeigen Ansätze in Berlin. Der Senat hat den< Bezirken Geld gegeben, um Beratungsstellen für Mieter einzurichten. Die Arbeit wird der Berliner Mieterverein in vielen Fällen übernehmen. Ob das reichen wird, bleibt ungewiss. Auch Umfang, Standards und Qualitätskontrolle der Beratung sind nicht geregelt und dürften je nach Rechtsanwalt unterschiedlich sein.

Hilfreich wär hier ein bundeseinheitliches Netz nach dem Vorbild der Verbraucherzentralen, die als Anlaufstelle den Mietern alle Fragen zu Mieterhöhungen, Privatisierungen, Milieuschutzgebieten, Modernisierungen und Ähnlichem beantworten könnte.

MODERNISIERUNG

Modernisiert ein Eigentümer seine Wohnung, darf er elf Prozent seiner Kosten auf den Mieter umlegen. Die Bundesregierung begrenzt das nun auf acht Prozent.

Was wirklich helfen würde: eine Begrenzung auf vier Prozent sowie einen begrenzten Zeitraum – bis die Kosten der Baumaßnahme komplett durch Mieteinnahmen wieder in der Kasse des Vermieters sind. Hardliner sprechen sich sogar für eine ersatzlose Streichung der Umlage aus. Begründung: Durch die Modernisierung verbessert sich auch der „Wohnwert“ der Immobilie, und weil der Wohnwert ein Merkmal im Mietspiegel ist, kann der Hauseigentümer mit dieser Begründung mehr Miete verlangen.

Kurzum, von einer Modernisierung profitierten Hauseigentümer gleich doppelt und das sei eine einseitige Bevorzugung der Hauseigentümer auf Kosten der Mieter. Moderate Kritiker der Modernisierungsumlage verweisen auf die „Geschichtsvergessenheit“ dieser Begünstigung: Elf Prozent (und auch noch acht Prozent) seien zu einer Zeit festgelegt worden, als Baukredite acht Prozent kosteten. Das ist lange vorbei, Baugeld kostet 1,5 Prozent. Deshalb müsse die Höhe der Umlage an die Höhe der Kreditzinsen gekoppelt werden.

STEUERPOLITIK

Steuern durch Steuern – wenn der Bund an die „Steuersparinstinkte“ appelliert, reagieren die Deutschen meistens. Vier mal fünf Prozent in den ersten Jahren nach dem Bau des Mietwohnhauses zusätzlich zur regulären Abschreibung – das soll den schlappen Neubau wieder aufpäppeln. Und damit keine Luxuswohnungen entstehen, dürfen Bauherren maximal 3000 Euro je Quadratmeter ausgeben.

Das gelingt kaum jemand, erst recht nicht dort, wo die Wohnungen gebraucht werden: In Ballungsgebieten sind die Baupreise viel zu hoch. Experten sagen deshalb voraus: Der größte Teil der Branche wird die Subvention links liegen lassen.

Wie es besser ginge: Sinnvoll wäre eine gezielte steuerliche Förderung der Anbieter preiswerter Mietwohnungen. Die Genossenschaften zählen dazu, aber auch Stiftungen und landeseigene Unternehmen. Für diese bisher in den Nischen des Marktes aktiven Bauherren müsste ein neues „Gemeinwohl“ rechtlich und steuerlich formuliert werden, das den Zugang für eine besondere steuerliche Förderung ermöglichen würde, wenn günstige Mieträume langfristig gehalten werden. Grüne und Linke haben solche Vorschläge unter dem Titel „Neue Gemeinnützigkeit“ in Umlauf gebracht.

NEUBAU

Bauanträge sollen schneller bearbeitet werden und digital abgewickelt werden können. Außerdem soll eine Musterbauordnung das Bauen in Großserien erleichtern, moderne Plattenbauten gleichsam. Geplant ist außerdem eine „Kosten-Nutzen-Prüfung“ von Regulierungen auf den Neubau. Hinzu kommt die bereits beschlossene „Sonder-Afa“, also Steuervorteile für private Bauherren, die bezahlbare Mietwohnungen für maximal 3000 Euro je Quadratmeter errichten.

Das sind wichtige Ansätze, sie werden aber nicht ausreichen, um deutlich mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen. Studien von Wohnungsverbänden haben gezeigt, dass serielle Bautypen den Neubau beschleunigen können. Deren Kosten würden aber nur geringfügig unter den üblichen Neubaupreisen von zwölf Euro je Quadratmeter bleiben.

Und das wäre die Alternative: Für acht Euro bieten einige Genossenschaften neu gebaute Wohnungen an. Dass sie billiges Wohnen anbieten können, liegt daran, dass sie für ihr Eigenkapital geringere Verzinsung erwarten – weil sie dem „Gemeinwohl“ verpflichtet sind. Andere Bauherren sind das auch: Stiftungen, Baugemeinschaften, staatliche Unternehmen. Diese müssten politisch bevorzugt und nicht mehr übersehen werden. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt könnte bei großen Siedlungsvorhaben die Hälfte der Fläche diesem „Gemeinwohl“ gewidmet werden, weil in Berlin jeder Zweite Anspruch auf eine geförderte Sozialwohnung hat (aber keine bekommt).

Die andere Hälfte sollte wiederum jeweils zur Hälfte privaten Bauherren und Bauträgern angeboten werden. Unter den privaten Bauherren sollten gezielt Familien mit Kindern gefördert werden, indem die Kaufpreise der Objekte begrenzt werden und Kredite staatlicher Förderbanken zu Sonderkonditionen fließen.

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