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Mach mal wieder Pause! Diese Devise gilt bei den Grünen auch auf Führungsebene. Simone Peter und Cem Özdemir demonstrieren es.
© Sören Stache/dpa

Vorschlag der Grünen: Mehr Freiraum für die Freizeit

Die Grünen wollen Arbeitnehmern größere Flexibilität ermöglichen. Dafür sollen sich Strukturen ändern – auch im Sinne der Gleichberechtigung und mit staatlicher Hilfe.

Die Grünen wollen mit einer neuen Zeitpolitik Arbeitnehmern mehr Freiräume verschaffen. "In der modernen Arbeitswelt ist Stress allgegenwärtig und Zeit ist eine Mangelware", heißt es in einem Papier, das der Parteivorstand auf seiner Klausur beraten hat.

Geschrieben haben es die Vorstandsmitglieder Bettina Jarasch und Gesine Agena. "Die Veränderungen in der Arbeitswelt setzen heute viele Menschen unter Druck. Ihnen fehlt Zeit für die Kinder, Zeit für ihre Eltern, Zeit für Engagement, Zeit für sich", erläutert die Berliner Landeschefin Jarasch. "Wir wollen dafür sorgen, dass Menschen wieder selbstbestimmter über ihr Leben entscheiden können."

Die Zeitpolitik gehört zu den vier Feldern, bei denen die Grünen bis zur Bundestagswahl 2017 neue Konzepte vorlegen wollen. Auch bei der Klausur der Bundestagsfraktion, die an diesem Mittwoch beginnt, spielt das Thema eine Rolle. Unter dem Titel "Anders arbeiten, besser leben", erläutert der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa den Abgeordneten, wie es mehr Zeitsouveränität geben kann.

In ihrem Thesenpapier sprechen sich Jarasch und Agena dafür aus, den Menschen eine "partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit" zu ermöglichen. Nicht alle seien darauf aus, weniger zu arbeiten. Viele teilzeitarbeitende Frauen würden gerne mehr arbeiten und Männer, die in Vollzeit beschäftigt seien, eher weniger, analysieren die Autorinnen. Wichtig sei aber für alle, "mehr selbst bestimmen zu können, wann sie arbeiten und wann sie Zeit für anderes brauchen".

Arbeitszeit verkürzen? Nicht um jeden Preis

Doch wie kann das gelingen? Die Grünen setzen nicht auf eine 32-Stunden-Familienarbeitszeit, wie Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sie in die Diskussion gebracht hatte. Doch eine staatliche Unterstützung für einen Teil der Arbeitnehmer können sie sich vorstellen. "Menschen mit geringen Einkommen können es sich nicht leisten, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. In der Zeit, in der sie sich um ihre Kinder oder Eltern kümmern, müssen wir über einen finanziellen Ausgleich nachdenken", sagt Jarasch. Bei jemandem mit gutem Einkommen sei ein solcher finanzieller Ausgleich hingegen nicht notwendig. "Die Gesellschaft muss nicht alles und alle finanzieren."

"Umverteilung von Arbeit und Einkommen"

Für ihre Vorstandskollegin Agena ist klar, dass es sich um "kein softes Wohlfühlthema" handelt, sondern um "ein hartes Thema", gegen das es sicher auch Widerstände geben werde. "Es geht dabei auch um eine Umverteilung von Arbeit und Einkommen", sagt sie. Heute könnten Paare nicht wirklich frei wählen, wer in welchem Umfang arbeite. "Es gibt starke Anreize für das Modell, dass der Mann in Vollzeit arbeitet und die Frau zu Hause bleibt oder in Teilzeit oder einem Minijob arbeitet", sagt Agena. Um die Gleichberechtigung zu fördern, müssten auch diese Strukturen verändert werden.

Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner wirbt dafür, sich Anregungen bei den europäischen Nachbarn zu holen. So verhandeln in Frankreich Arbeitgeber und Arbeitnehmer Zeitchartas. "Da wird nicht nur darüber geredet, wie lange jemand arbeitet, sondern auch wann er anfängt und aufhört, wo er arbeiten kann und wie er verfügbar sein soll. Es müssen ja nicht alle um 9 Uhr anfangen und vor der Arbeit eine Stunde lang gemeinsam im Stau stehen", sagt sie.

Bei der Supermarktkette Carrefour etwa könnten inzwischen die Mitarbeiter stärker mitbestimmen, welche Schichten sie übernehmen wollen. "In den letzten Jahren hatten wir eine zunehmende Flexibilisierung im Sinne der Arbeitgeber. Jetzt brauchen wir eine Flexibilisierung für die Arbeitnehmer", fordert Brantner.

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