Pegida, AfD, Piraten & Co.: Mehr Demokratie wagen
Man muss sie nicht mögen - aber sie sind da: Pegida, AFD, Piraten und all die anderen Gruppierungen, die aus einem Protest heraus entstanden sind. Ob sie politisch überleben, hängt nicht zuletzt von den Protestlern selbst ab. Ein Kommentar.
Protest hat etwas Befreiendes. Mal so richtig Dampf ablassen, der Verärgerung freien Lauf geben. Protest gegen das Unrecht. Gegen das Gefühl, nicht gefragt, nicht beteiligt worden zu sein. Gegen die da oben. Und wenn dann noch tausende Gleichgesinnte mitmachen, kann das doch gar nicht alles so verkehrt sein. Ganz im Gegenteil. Bei den "Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes" – Pegida – gipfelte das Gemeinschaftsgefühl im grölen des Slogans "Wir sind das Volk". Inzwischen wissen sie ziemlich genau, dass sie es nicht sind. Sie sind nicht die Mehrheit. Sie sind schon gar nicht das Volk.
Und doch sind sie da. In der Gesellschaft. Genauso wie die Piraten und die Alternative für Deutschland (AfD), die beide ihre ganz eigene Protest-Geschichte haben. So unterschiedlich die drei Gruppierungen in ihren politischen Ausprägungen sind, so vergleichbar sind doch die Impulse, die zu ihrer Erfindung führten. Es war der Protest gegen bestehende Strukturen, gegen die politischen Mehrheiten, gegen den Mainstream.
Das Musterbeispiel dafür sind die Grünen, die 1980 aus der Anti-Atomkraftbewegung hervorgingen und es bis an die Spitze der Republik schafften. Knapp überlebt hat auch die "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG), die sich aus dem Protest gegen Gerhard Schröders Agenda-Politik speiste und 2007 mit der PDS zur Partei Die Linke fusionierte. Piraten und AfD haben aus dem Protest-Impuls heraus bei mehreren Wahlen beachtliche Ergebnisse erzielt. Davon ist Pegida weit entfernt. Vielleicht wollen sie es auch gar nicht. Was sie aber alle vergleichbar macht, ist der Wille zur politischen Teilhabe. Gefragt werden wollen. Mitentscheiden können.
In der Bundesrepublik Deutschland geht das klassischer Weise über die Gründung einer bei Wahlen erfolgreichen Partei. Diese Hürde haben die Piraten mehrfach übersprungen, sind dann aber beim Weiterlaufen schwer über ihre eigenen Füße gestürzt. Nicht ausgeschlossen, dass es der AfD ähnlich ergehen wird. Gestartet als eurokritische Partei und gefühlte Erbin der dahinsiechenden FDP, wird sie heute fast ausschließlich als islamkritische und mindestens ausländerunfreundliche Partei wahrgenommen. Ob sie diesen Schritt an den rechten Rand des politischen Spektrums überlebt, wird die nahe Zukunft zeigen.
Eine hohe Hürde auf dem Weg zum Erfolg sind die Protestler selbst. Pegida, AfD, Piraten, WASG und auch Grüne haben in ihrer für den dauerhaften Erfolg so wichtigen Anfangszeit in Scharen Chaoten, Extremisten, politische Sonderlinge oder einfach Andersdenkende angezogen, die den Aufbau von belastbaren Parteistrukturen wenn nicht unmöglich, dann doch mindestens sehr schwer machten. Viele Protestbewegungen sind daran gescheitert, sind längst verschwunden oder fristen ein trostloses Dasein als Splitterpartei, die an Wahlabenden unter "Sonstige" geführt werden.
Die Etablierten in der Demokratie sollten die "Sonstigen" aber nicht abschreiben. Die stetig sinkende Wahlbeteiligung in Deutschland und das Grummeln der Protestbewegungen müssen ein Weckruf sein. Was in den 70er Jahren mit dem Slogan "Mehr Demokratie wagen" umschrieben wurde, sollte heute in mehr Bürgerbeteiligung, mehr Bürgerentscheiden, mehr Transparenz einen institutionellen Niederschlag finden. Das verträgt die Demokratie nicht nur. Das ist Demokratie.