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Autos fahren auf der Straße vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entlang.
© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Vor den Landtagswahlen: Mehr Bundesbehörden für Ostdeutschland?

Der Ruf nach mehr Bundesbehörden in Ostdeutschland wird vor den dortigen Landtagswahlen lauter werden. Eine Steuerreform wäre aber hilfreicher.

Die Wahlen im Osten werfen ihren Schatten voraus. Im Herbst 2019 wählen Sachsen, Brandenburger und Thüringer neue Landtage. Ein Thema wird nicht fehlen in den Wahlkämpfen: Der Osten hinkt immer noch hinterher. Ein Argument mit Symbolgehalt ist, schon seit Jahren, die Verteilung der Bundesbehörden quer durch die Republik.

Da haben die elf Länder der alten Republik den „Neufünfländern“ in der Tat etwas voraus: Geht man die Liste der größeren Einrichtungen des Bundes durch, dann findet man nicht eben viele ostdeutsche Ortsnamen als Sitz. Und so vergeht kein Gespräch mit ostdeutschen Ministerpräsidenten ohne die Benennung des als gravierend empfundenen Missstands – der natürlich im Wesentlichen daran liegt, dass neue Bundesbehörden nicht jeden Tag entstehen und die alten Institutionen im nachgeordneten Bereich dort belassen wurden, wo sie jahrzehntelang schon waren.

Christian Hirte, der Ost-Beauftragte der Bundesregierung und CDU-Abgeordneter aus Thüringen, spricht das Thema schon seit Monaten immer wieder an. Nun hat zum Jahresauftakt die ebenfalls in Thüringen beheimatete Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gefordert, die Regierung in Berlin müsse sich verpflichten, ab sofort jede neue Behörde und jede neue Forschungseinrichtung in den Ost-Ländern anzusiedeln.

Göring-Eckardt hat Archivrecherche betreiben lassen und ein Ungleichgewicht in den vergangenen fast 30 Jahren ausgemacht: Seit dem Bundestagsbeschluss von 1992, den Osten wenn möglich zu bevorzugen, seien 20 neue Einrichtungen im Westen und nur fünf im Osten angesiedelt worden. Das Benachteiligungsargument wird noch verstärkt, wenn Göring-Eckardt feststellt, dass viele Behördenleiter im Osten ursprünglich aus dem Westen stammten. Ob bis zu den Wahlen da noch viele Entscheidungen fallen, ist allerdings unsicher.

Immerhin wurde erst im Vorjahr eine neue Bundesbehörde mitten im Osten angesiedelt: Das Fernstraßen-Bundesamt, welches die Rechts- und Fachaufsicht über die neu errichtete Infrastrukturgesellschaft des Bundes hat, sitzt in Leipzig. Mit 200 Mitarbeitern ist es freilich keine Großbehörde. Und das Kompetenzzentrum Wald, das gerade erst nach Mecklenburg-Vorpommern vergeben wurde, ist noch viel kleiner. Echte Dickschiffe sind am Horizont aber nicht auszumachen, auch künftig dürften neue Bundesbehörden eher klein bis mittelgroß sein.

Weitere Symbolhandlungen

Bisweilen werden weitere Symbolhandlungen vorgenommen. Eine davon ist die Ansiedlung eines Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Sitz in Karlsruhe) ebenfalls in Leipzig. In der sächsischen Großstadt arbeitet auch das Bundesverwaltungsgericht, während das Bundesarbeitsgericht nach der Einheit in Erfurt unterkam. Bei den obersten Bundesgerichten ist der Osten somit ganz gut bedient worden.

Ansonsten aber findet man an bedeutenderen Einrichtungen nur das Bundespolizeipräsidium in Potsdam und das Umweltbundesamt in Dessau. Andererseits ist die Bundeswehr recht „ost-lastig“. Das Heereskommando ist in Strausberg, eine Panzergrenadierbrigade ist im Nordosten stationiert, eine andere in Sachsen und Thüringen. Und die Offiziersschüler des Heeres werden in Dresden ausgebildet.

Doch ist das von ostdeutschen Politikern gern beklagte Fehlen von Großbürokratie zwischen Rügen und dem Erzgebirge nicht das eigentliche Problem des Ostens. Das ist und bleibt die Finanzschwäche der Länder und Kommunen. Sie reicht noch immer nicht an den Westen heran.

Das wiederum hängt mit der ostdeutschen Wirtschaftsstruktur zusammen. Es gibt dort nur wenige Konzerne, große Produktionsstätten gehören in aller Regel Großunternehmen mit Sitz im Westen. Der ostdeutsche Mittelstand hat nicht das Gewicht erreicht, das er in den West-Ländern hat. Und auch wenn sich die Einkommen im niedrigen und mittleren Bereich annähern (zumal, wenn man die unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten einberechnet) – im Osten fehlt die breite Schicht der Besserverdiener, welche die Durchschnittsgehälter in Bayern, Hessen oder Nordrhein-Westfalen nach oben ziehen.

Insofern ist die aktuelle Forderung von Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, nach einer Steuerreform näher am Problem als der Wunsch nach Ansiedlung von Bundesbehörden. Haseloff verweist darauf, dass viel Geld, das im Osten erwirtschaftet wird, der Besteuerung im Westen unterliegt. Eben weil die Konzerne dort sitzen. Das trifft auch die besonders finanzschwachen Ost-Kommunen wegen der geringen Gewerbesteuereinnahmen.

Ostdeutsche Politiker fordern seit Langem eine andere Form der Steuerzerlegung, um so mehr vom Kuchen abzubekommen – und zwar direkt und nicht über den Finanzausgleich, der immer mit gewissen Abhängigkeiten vom Bund und den starken Ländern einhergeht. CDU-Mann Haseloff will daher auf Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einwirken, um gemeinsam eine solche Reform anzuschieben.

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