Aktuelle Studie von Save the Children: Mehr als 350 Millionen Kinder leben in Krisengebieten
Eine Studie zeigt: Weltweit nehmen brutale Kriegstaktiken zu. Darunter muss jedes sechste Kind leiden.
Die Ergebnisse sind alarmierend: Im Jahr 2016 lebten mehr als 357 Millionen Kinder in Gebieten, die von Konflikten betroffen sind - das bedeutet jedes sechste Kind. Die Hilfsorganisation “Save the Children” veröffentlichte am Mittwoch einen Bericht über die Situation von Kindern in Krisengebieten.
Früher wurden Kriege auf Schlachtfeldern ausgetragen. Heute finden sie in den Städten und Dörfern inmitten der Zivilbevölkerung statt. 2016 lebten rund 42 Millionen Kinder nicht weiter als 50 Kilometer von einem Konfliktschauplatz entfernt. Brutale Kriegstaktiken nehmen zu, Kinder werden sogar als Selbstmordattentäter eingesetzt oder als Soldaten rekrutiert. Am meisten davon betroffen sind Mädchen und Jungen in Asien. An zweiter Stelle steht Afrika.
Vermutlich sind die Zahlen höher - aber Quellen nicht verfügbar
Zwischen 2005 und 2016 wurden rund 73´000 Kinder in 25 verschiedenen Ländern verstümmelt oder getötet. Laut „Save the Children“ sind die realen Zahlen wahrscheinlich noch höher, doch wegen fehlender Quellen nicht verfügbar. Syrien, Afghanistan und Somalia waren die drei gefährlichsten Länder für Jungen und Mädchen im Jahr 2016 - die neuesten Zahlen stammen aus diesem Jahr. Das Völkerrecht werde meist missachtet. „Die internationalen Rechtsnormen haben sich zwar verbessert, doch gleichzeitig haben auch die Verstöße gegen Kinderrechte in den Konfliktgebieten zugenommen“, berichtet die Hilfsorganisation.
Auch die Zahl von Kindersoldaten ist angestiegen
Weltweit stieg seit Mitte der 2000 Jahre auch die Anzahl der Mädchen und Jungen, die von staatlichen Armeen und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen rekrutiert oder entführt wurden. Sie werden gezwungen zu töten und sind selbst körperlicher und seelischer Gewalt von erwachsenen Kämpfern ausgesetzt. Manchmal werden sie sogar für Selbstmordanschläge eingesetzt, ohne zu wissen, dass sie in den Tod gehen. Als wäre das nicht schon Leid genug, wird der Zivilbevölkerung vermehrt der Zugang zu humanitärer Hilfe verweigert. Oft führt dies zu noch mehr Todesfällen. Die Kinder verhungern oder sterben an den Folgen einer Krankheit.
Das Trauma der Gewalt hält noch lange an
Für Kinder, die sich nach einem Kriegseinsatz oder dem Leben mit dem Krieg befreien können, ist der Albtraum noch lange nicht vorbei: Sie verpassen oft viele Jahre der Bildung und die Sozialisierung in einer Gemeinschaft. Das Trauma der Gewalt, die sie als Kinder mitansehen, selbst erfahren oder sogar selbst verüben mussten, hat meist tiefgreifende psychische Folgen.
Michael Davies weiß das. Er wurde im Alter von 16 Jahren in Kono, Sierra Leone, als Kindersoldat rekrutiert. Im Jahr 2000 gelang ihm die Flucht aus dem Bürgerkriegsland. Er war sechs Jahre auf der Flucht, bis er Deutschland erreichte. Heute lebt Michael Davies in Hannover und arbeitet als Sozialarbeiter, unter anderem mit behinderten Kindern. “Ich liebe es den Menschen zu helfen. Vor allem, weil sie auch mir geholfen haben”, sagt er.
Der 40-Jährige möchte nicht viel über seine Vergangenheit sprechen. Lieber darüber, wie er sein Schicksal überwunden hat: “Ich musste lernen, meine Vergangenheit zu akzeptieren”, erzählt Davies. Zwei Jahre lang war er in Therapie. Seine Leidenschaft, die Musik, habe ihm geholfen, ein Teil der Gesellschaft zu werden. “Vergessen kann ich meine Kindheit nicht, ich habe aber gelernt, mit meiner Vergangenheit zu leben”.
Als Grundlage der Analyse dienten die jährlichen Berichte des UN-Generalsekretärs zu Kindern in bewaffneten Konflikten (United Nations Annual Reports of the Secretary General on Children and Armed Conflict, CAAC) sowie aktuelle Forschungsergebnisse des Instituts für Friedensforschung in Oslo (Peace Research Institute Oslo, PRIO).
Anja Zobrist
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