Arte-Doku über Kindersoldaten: Ihr Töten und Sterben ist billig zu haben
"Fucking crazy": Eine Arte-Doku erzählt, warum ehemalige Kindersoldaten aus Afrika als Söldner in Afghanistan und im Irak kämpfen.
Thomas Odukai weist auf die Personalakten, die stapelweise auf dem Boden liegen. Jede Akte bedeutet einen Söldner mehr für den Krieg in Afghanistan. Ob er wisse, wie viele ehemalige Kindersoldaten darunter seien, wird er gefragt. Das könne er nicht sagen, entgegnet Odukai. „Wir haben mit so vielen Leuten zu tun.“ Der Mann leitet ein Rekrutierungsbüro in Uganda.
„Competitive Manpower International Limited“ steht draußen auf dem Firmenschild. CMIL, bestätigt Odukai, arbeite mit Aegis zusammen. Dieses private Militär-Unternehmen residiert in einem deutlich eindrucksvolleren Gebäude in London und gehört Tim Spicer, einem ehemaligen Offizier der britischen Armee. Das Söldnergeschäft scheint zu florieren – und Firmen wie Aegis rekrutieren ihr Personal in der sogenannten Dritten Welt. Es scheint sie nicht zu stören, dass darunter Männer sind, die schon in ihrer Kindheit gezwungen wurden, zu töten und Gräueltaten zu begehen. Ihr Töten und Sterben ist nach wie vor billig zu haben, jetzt im Auftrag westlicher Armeen in Afghanistan oder im Irak.
Was die dänische Autorin Mette Heide in ihrem Film „Der neue Job des Kindersoldaten“ sorgfältig dokumentiert, gehört wohl zu den zynischsten Details der Kriege im Namen von Demokratie und Freiheit. Heide geht dabei so sachlich und nüchtern vor, wie es eben geht. Sie schlägt einen weiten Bogen zurück in die 1990er Jahre, als sich nach dem Ende der Apartheid die südafrikanische Söldner-Armee „Executive Outcomes“ bildete, und bietet verschiedene Experten und Buch-Autoren auf, die die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten kommentieren.
Alle schildern, was sie als Kindersoldaten erlebt hatten
Vor allem aber kommen mehrere Söldner, die einst Kindersoldaten waren, selbst zu Wort. Männer wie Alhaji Koroma, der in einem Dorf in Sierra Leone interviewt wird und von seinem Einsatz im Irak („fucking crazy“) berichtet. Lachend erzählt er, wie er seiner Mutter weis gemacht habe, dass er dort als Küchenhelfer arbeite. Andere tragen die Aegis-Uniform, alle schildern, was sie als Kindersoldaten erlebt hatten und wozu sie zum Teil unter Einsatz von Drogen gezwungen wurden. Manche wirken dabei ruhig und kühl, andere kämpfen sichtbar mit den traumatischen Erinnerungen.
Die Bilder, die sich allein durch die verbale Schilderung im Kopf der Zuschauer formen dürften, sind schon albtraumhaft genug. Dennoch ist es wohl notwendig, die Aussagen durch Bilddokumente zu beglaubigen. Autorin Heide zeigt nicht direkt die Grausamkeiten aus dem Bürgerkrieg in Sierra Leone in den 1990er Jahren, aber die Folgen für die Opfer: Kinder und Jugendliche mit verstümmelten Gliedmaßen.
Ausführlich widmet sich Mette Heide der Militärpolitik der USA im Irak-Krieg. Die Schattenarmee der Firma Blackwater (heute: Academi) machte Schlagzeilen. Weniger bekannt ist, dass Aegis den lukrativen Auftrag erhielt, die Koordination sämtlicher im Irak tätiger privater Militärfirmen zu übernehmen. Neben den regulären Soldaten waren dort Söldner im Einsatz. Buch-Autor Peter Singer spricht von einem „Goldrausch“ für private Unternehmen. Der US-Kongress setzte 2010 einen Untersuchungsausschuss ein, der sich nur einen ungefähren Überblick verschaffen konnte: Zwischen 30 und 60 Milliarden Dollar seien durch Verschwendung und Betrug verloren gegangen, heißt es in einer Einblendung.
Was treiben diese Firmen nun, nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak? Was deren Söldner? Der im April 2016 erstmals ausgestrahlte Film mag in dieser Hinsicht nicht aktuell sein. Solange weiterhin ehemalige Kindersoldaten aus Afrika rekrutiert statt betreut und wiedereingegliedert werden, bleibt er brandaktuell.
„Der neue Job des Kindersoldaten“, Dienstag, Arte, 22 Uhr 40
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