Großbritannien: May wirbt mit "Brief an die Nation" für Brexit-Einigung
Die britische Premierministerin sieht in ihrem Deal mit der EU einen "Moment der Erneuerung und der Versöhnung". Ob das Parlament zustimmt, ist weiter offen.
Im Streit um die Brexit-Einigung hat Großbritanniens Premierministerin Theresa May in einem "Brief an die Nation" um Zustimmung zu der Einigung mit Brüssel geworben. Die Vereinbarung respektiere das Ergebnis des Brexit-Referendums und sei ein "Moment der Erneuerung und der Versöhnung", schrieb May in dem am Sonntag in mehreren Zeitungen veröffentlichten Brief. Das Parlament in London solle der Einigung zustimmen.
Der Deal sei im "nationalen Interesse" und gleichermaßen für Gegner und Befürworter des EU-Austritts geschaffen, schrieb May. "Es ist ein Abkommen für eine strahlendere Zukunft, das es uns ermöglicht, die vor uns liegenden Chancen zu ergreifen."
Deshalb forderte May die Briten auf, sich hinter die Einigung zu stellen. Das Parlament werde dazu in einigen Wochen bei einer "bedeutenden Abstimmung" Gelegenheit haben. Die Premierministerin kündigte an, sich mit "Herz und Seele" für die Zustimmung einzusetzen.
Mays Brief erschien kurz vor dem Brexit-Sondergipfel in Brüssel. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen dort am Sonntag den Vertrag zum EU-Austritt Großbritanniens sowie eine politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen verabschieden.
Der Austrittsvertrag sieht eine Übergangsphase bis Ende 2020 vor, in der Großbritannien im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt. Er regelt zudem die Rechte der Bürger auf beiden Seiten, die Finanzforderungen an London und die Frage der künftigen Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland. Bei den künftigen Beziehungen bietet die EU Großbritannien eine "ehrgeizige" wirtschaftliche und politische Partnerschaft an.
In Großbritannien ist die Einigung jedoch heftig umstritten, auch innerhalb der Regierung. Ob das Parlament dem Vertrag zustimmt, ist fraglich. Einem Bericht des "Sunday Telegraph" zufolge verhandeln Mitglieder des britischen Kabinetts mit EU-Diplomaten im Geheimen über einen "Plan B" für den Fall, dass das Parlament in London die Zustimmung verweigert.
Nach Ansicht des britischen Tory-Abgeordneten Dominic Grieve verbessern sich mit dem Austrittsvertrag die Chancen für eine neue Volksabstimmung über den Brexit. "Ein zweites EU-Referendum ist jetzt durchaus eine Möglichkeit. Die Aussicht darauf ist erheblich gewachsen, weil das Parlament Theresa May’s Brexit-Deal ablehnen wird. Ich glaube an ein zweites Referendum", sagte Grieve der "Welt am Sonntag" laut Vorabbericht.
Auch die nordirische DUP droht, im Parlament gegen die Austrittsvereinbarung zu stimmen, sollte eine umstrittene Notfallklausel (Backstop) nicht aus den Brexit-Verträgen entfernt werden. Das sagte DUP-Chefin Arlene Foster kurz vor dem Sondergipfel. Die Nordiren stützen die Minderheitsregierung von Premierministerin Theresa May eigentlich. (AFP)