EU-Gipfel in Salzburg: May gibt sich beim Brexit unnachgiebig
Beim EU-Gipfel in Salzburg will May erneut für ihren Brexit-Plan werben. Das eigentliche Brexit-Endspiel findet erst später statt.
Eigentlich möchte der EU-Ratspräsident Donald Tusk sicherstellen, dass beim EU-Gipfel in Salzburg das Thema der Migration und des europäischen Außengrenzenschutzes im Mittelpunkt steht. Eine ausufernde Debatte zum Brexit möchte Tusk bei dem zweitägigen Treffen, das am Mittwochabend in der Mozartstadt beginnt, vermeiden. Aber sechs Monate vor dem geplanten Brexit versucht die britische Regierungschefin Theresa May mit aller Kraft, sich politischen Freiraum für das bevorstehende Brexit-Endspiel zu verschaffen. Unmittelbar vor dem Gipfel veröffentlichten daher mehrere europäische Tageszeitungen einen Gastbeitrag von May, in dem die britische Regierungschefin die EU in seltener Deutlichkeit zum Einlenken bei den Austrittsverhandlungen aufforderte.
London lehnt Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien ab
In dem Beitrag erklärte May unter anderem, dass eine Zollaußengrenze zwischen Teilen des Vereinigten Königreiches etwas „Inakzeptables“ darstelle. Der Hintergrund: In den Brexit-Gesprächen hat der EU-Chefunterhändler Michel Barnier erklärt, dass eine Verlegung der Zollgrenze zwischen Nordirland und dem übrigen Gebiet des Vereinigten Königreichs notfalls möglich sein müsse. Die Notfall-Option soll aus der Sicht der EU dann greifen, wenn für das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland keine andere Lösung gefunden wird. Dabei hat die EU vorgeschlagen, dass Nordirland künftig faktisch zum EU-Binnenmarkt gehören könnte. Auf diesem Weg soll eine „harte Grenze“ in der einstigen nordirischen Bürgerkriegsregion vermieden werden. Allerdings lehnt die britische Regierung eine solche Lösung ab.
Die Nordirland-Frage ist das größte Problem beim Brexit. Wie eine Lösung aussehen könnte, ist derzeit völlig offen. EU-Ratschef Tusk warnte in seinem Einladungsschreiben zum Salzburger Gipfel bereits: „Unglücklicherweise ist ein No-Deal-Szenario nach wie vor durchaus möglich.“ Ein No-Deal-Szenario würde bedeuten, dass Großbritannien ohne Austrittsvereinbarung am 29. März 2019 aus der EU ausscheidet – mit nicht absehbaren Folgen etwa für den internationalen Flugverkehr, das Gesundheitswesen und die Lieferketten auf beiden Seiten des Ärmelkanals.
Barnier möchte die Nordirland-Frage entdramatisieren
In dieser Situation ist EU-Chefverhandler Barnier nun bemüht, das Nordirland-Problem zu entdramatisieren. Grundsätzlich möchte Barnier darauf hinarbeiten, dass das Zollproblem von den Brexit-Hardlinern künftig nicht mehr zu einer Frage des nationalen Zusammenhalts hochstilisiert wird. Daher erklärte der Franzose vor dem Gipfel, man könne durchaus darüber reden, wo, wann und von wem die Zollkontrollen jener Güter vorgenommen würden, die von der britischen Insel nach Nordirland gelangen. Kontrollen könnten etwa auf Firmengelände stattfinden, so Barnier.
May will derweil in Salzburg am Mittwochabend noch einmal einmal für ihren Brexit-Plan werben, auf den sich das britische Kabinett auf dem Landsitz der Regierung in Chequers Anfang Juli geeinigt hatte. Der Plan sieht eine Freihandelszone zwischen der EU und Großbritannien bei Gütern und landwirtschaftlichen Erzeugnissen vor. Bei Dienstleistungen will sich Großbritannien dem Plan zufolge hingegen künftig aus dem EU-Binnenmarkt ausklinken. Auf EU-Seite wird dies aber als „Rosinenpickerei“ abgelehnt. Am Mittwoch bekräftigte Tusk noch einmal, dass der britische Vorschlag nachgebessert werden müsse.
Mays Schicksal hängt am Tory-Parteitag Anfang Oktober
Allerdings sind diese Äußerungen nur ein Vorgeplänkel für das Brexit-Endspiel dar, das Mitte November bevorsteht. Für diesen Zeitpunkt will Tusk zu einem Sondergipfel einladen. Ob May dann noch im Amt ist, dürfte sich Anfang Oktober entscheiden – beim Tory-Parteitag in Birmingham.