Pegida in Dresden: Massendemonstration von "trotziger Solidarität"
Ein Jahr nach ihrem Beginn finden die Demonstrationen von Pegida in Dresden wieder mehr Zulauf. Obwohl die Veranstalter noch radikaler auftreten als früher.
Am Montagabend marschierten sie wieder. Ein Jahr nach den Anfängen und ein halbes Jahr nach dem vermeintlichen Ende ist Pegida in Dresden wieder im größeren Rahmen da: mit einer Demonstration, an der schätzungsweise 15.000 bis 20.000 Menschen teilnahmen. Die „patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ haben wieder Mobilisierungserfolge. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte zwar dazu aufgerufen, dem Pegida-Lockruf nicht zu folgen. Dahinter stünden „harte Rechtsextremisten“, es seien „Rattenfänger“.
Der Dresdner Politologe Werner Patzelt glaubte aber schon vor der Veranstaltung nicht, dass de Maizière damit sonderlich erfolgreich sein würde. Schon früher hätten die Pegida-Demonstranten eine Art „trotziger Solidarität“ gezeigt, zu der gehörte, dass man sich solchen Aufrufen aus der ungeliebten „politischen Klasse“ verweigerte. Patzelt sieht auch keine große Veränderung im Vergleich zu den Aufmärschen im vorigen Winter, allenfalls habe sich die Aversion der Teilnehmer gegen „die da oben“ und gegen das politische System noch verstärkt. Weil viele meinten, durch die Entwicklung der Flüchtlingszahlen seither und den Umgang der Politik bestätigt worden zu sein.
Plattform für Unmut
Patzelts Analyse läuft jedoch auch darauf hinaus, dass zwischen den Organisatoren von Pegida und vielen Demonstranten keine absolute Interessenkongruenz besteht. Die Pegida-Chefs Lutz Bachmann und Tanja Festerling stellen demnach eine Plattform zur Äußerung von Unmut zur Verfügung, die von Menschen genutzt wird, die mit den Ansichten des rechtsextremen Kerns von Pegida (laut Patzelt gehören dazu nicht zuletzt radikale und gewaltbereite junge Männer) keineswegs übereinstimmen.
Doch warum sind diese Mitläufer nicht in der Lage, sich eine eigene, weniger radikale Plattform zu schaffen? Das hat möglicherweise mit der „vulgärdemokratischen“ Denkweise vieler Pegida-Mitläufer zu tun, beschreibt der Politologe Hans Vorländer, ebenfalls in Dresden tätig, deren Grundeinstellung. Die Demonstranten meinen, die Politik habe gefälligst umzusetzen, was das Volk wolle – am besten nach Plebisziten, ohne dass man sich selbst den Mühen des politischen Prozesses aussetzt. Als das Volk betrachten sich aber jene Dresdner Demonstranten, die den 89er-Slogan „Wir sind das Volk“ benutzen, obwohl sie erkennbar nur eine Minderheit in der Bürgerschaft sind. „Sie glauben, für eine schweigende Mehrheit zu stehen“, erläutert Patzelt. Angesichts der zurückgehenden Zustimmung zur Politik von Kanzlerin Angela Merkel sehen sie sich auch darin bestätigt.
Und die AfD?
Und warum gelingt es der nach Anhang suchenden Rechtspartei AfD in Sachsen nicht, Pegida den Rang auf der Straße abzulaufen und jene „besorgten Bürger“ bei sich zu versammeln? Immerhin ist die „Alternative für Deutschland“ im Landtag verankert, mit der Parteichefin Frauke Petry an der Spitze. Bei der Dresdner Oberbürgermeisterwahl im Frühsommer hat die „Alternative für Deutschland“ allerdings deutlich schlechter abgeschnitten als die Pegida-Kandidatin Festerling. Das habe in der Stadt Eindruck gemacht, sagt Patzelt. Zudem scheint sich die Petry-AfD (im Gegensatz zu dem Flügel um den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke, der auch völkische Töne nicht scheut) nach ganz rechts eher abgrenzen zu wollen, nachdem sie den internen Richtungsstreit gegen die gemäßigten Kräfte um Bernd Lucke gewonnen hatte.
Wie es in Dresden weitergeht mit Pegida, hängt laut Patzelt wohl davon ab, ob die Flüchtlingzahlen abnehmen. Und wie die Politik deren Unterbringung im Winter organisiert. Gut möglich also, dass die Zahl der Pegida-Mitläufer erst einmal wieder steigt.