US-Senatoren wollen Hafen auf Rügen „zerstören“: Manuela Schwesig reagiert empört auf Drohung aus den USA
Die Arbeit an Nord Stream 2 könnte „wirtschaftliche Zerstörung“ zur Folge haben, drohen US-Konservative. Die Regierung in Schwerin spricht von Erpressung.
Eine neue Eskalation im deutsch-amerikanischen Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2 wird zur Belastung für die transatlantischen Beziehungen. Drei US-Senatoren wollen den Fährhafen Sassnitz auf Rügen zwingen, die Arbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 2 umgehend einzustellen – und drohen andernfalls mit umfassenden Sanktionen.
In einem Brief vom 5. August, über den als erstes das „Handelsblatt“ berichtet hatte, drohen Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson mit empfindlichen Konsequenzen für den Fall, dass das Unternehmen, das den Mukran Port auf Rügen betreibt, die logistische Unterstützung für Nord Stream 2 nicht umgehend einstellt.
„Wenn Sie weiterhin Waren, Dienstleistungen und Unterstützung für das Nord-Stream-2-Projekt bereitstellen, würden Sie das zukünftige finanzielle Überleben Ihres Unternehmens zerstören“, heißt es in dem drei Seiten umfassenden Schreiben.
Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel: „Mit ihrer Politik der extraterritorialen Sanktionen greift die USA in unsere nationale Souveränität und die unserer europäischen Partner ein. Wir haben gegenüber unseren amerikanischen Partner deutlich gemacht, dass wir uns gegen die Ausübung von Druck auf europäische Unternehmen verwehren. Deswegen sind Tonfall und Inhalt der Drohbriefe, die von amerikanischen Senatoren verschickt worden, völlig unangebracht. Unser Ziel ist es die europäische Souveränität zu stärken. Denn Europa darf sich nicht erpressbar machen.“
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wies die Drohungen ebenfalls scharf zurück: „Diese Drohungen sind absolut inakzeptabel. Deutschland kann selbst entscheiden, woher und auf welchem Weg es seine Energie bezieht“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Mecklenburg-Vorpommern hält am Bau der Pipeline fest. Ich erwarte auch von der Bundesregierung, dass sie diesen Erpressungsversuchen entschieden entgegentritt.“
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Gazprom reagiert kühl
Das Unternehmen Nord Stream 2, das dem russischen Gazprom-Konzern gehört, erklärte auf Tagesspiegel-Anfrage, man habe den Brief zur Kenntnis genommen.
Auch Energieunternehmen aus Österreich, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden hätten viel Geld in das Projekt investiert. „US-Sanktionen, sofern sie verhängt würden, könnten über 120 Unternehmen aus mehr als zwölf europäischen Ländern direkt treffen. Sie würden Investitionen zur Fertigstellung der Pipeline in Höhe von rund 700 Millionen Euro verhindern“, erklärte ein Sprecher.
Der Mukran Port dient als logistische Basis für die Fertigstellung der Pipeline. Sie umfasst zwei Stränge von jeweils 1220 Kilometer Länge, 160 Kilometer sind noch nicht fertiggestellt. Der größte Teil davon befindet sich in dänischen Hoheitsgewässern, ein kleinerer Teil in deutschen.
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Die Senatoren werfen der Fährhafen Sassnitz GmbH vor, dass sie „wissentlich bedeutende Güter, Dienstleistungen und sonstige Unterstützung für das Nord- Stream-2-Projekt gewährt“. So lagerten im Hafen Rohre für die Pipeline, außerdem versorge der Hafen zwei russische Schiffe mit Proviant.
Das Schreiben diene als formeller rechtlicher Hinweis, dass mit der Unterstützung des Projektes das Risiko einhergehe, den Hafen selbst sowie seine Geschäftsführer, Anteilseigner und Mitarbeiter rechtlichen und wirtschaftlichen Sanktionen auszusetzen, erläutern die Senatoren.
USA vertreten damit eigene wirtschaftliche Interessen
Die Sanktionen würden dazu führen, dass der Hafen und die betroffenen Personen wirtschaftlich und finanziell von den USA abgeschnitten würden. Die Fährhafen Sassnitz GmbH gehört zu 90 Prozent der Stadt und zu zehn Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern.
Die USA warnen vor einer wachsenden Abhängigkeit Deutschlands und Europas von russischen Gaslieferungen. Zugleich suchen sie nach Möglichkeiten, den Europäern verflüssigtes Erdgas aus den USA zu verkaufen – letztlich geht es auch um ökonomische Interessen.
Schon in den Monaten zuvor hatten die USA Schritt für Schritt den Druck auf das Nord-Stream-2-Projekt gesteigert.