Neufassung des Gesetzes zur Sexarbeit: Manuela Schwesig kürzt die Auflagen für Prostituierte
Frauenministerin Manuela Schwesig hat den Entwurf des umkämpften Prostitutionsgesetzes etwas entschärft. Das könnte neuen Ärger mit der größeren Regierungspartei geben.
In der Koalition droht neuer Krach um das geplante Prostitutionsgesetz. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat am Mittwoch einen Gesetzesentwurf in die Abstimmung der Fachministerien geschickt, der die Gesundheitsvorschriften und Meldepflicht für Sexarbeiterinnen reduziert. Genau diese Punkte sind der Union aber wichtig und seit der Verabredung im Koalitionsvertrag, das alte Prostitutionsgesetz zu ersetzen, umstritten. Wie aus dem Ministerium zu hören war, ist die Neufassung noch nicht zwischen den Koalitionspartnerinnen abgestimmt, auch inoffiziell nicht.
Die sozialdemokratische Seite zeigte sich am Donnerstag zum Kampf um den geänderten Entwurf entschlossen und droht damit, das Gesetz gegebenenfalls scheitern zu lassen. "In der ursprünglichen Fassung wird es aus diesem Ministerium kein Gesetz geben", sagte Staatssekretär Ralf Kleindiek. Das Echo aus den Ländern und Kommunen habe "klar" gezeigt, "dass es so gar nicht ging". Notfalls werde das geplante Prostituiertenschutzgesetz "eben nicht kommen".
Gesetz soll erst nach zwei Jahren gelten
Die heftig umstrittene neue Anmeldepflicht steht zwar auch im jetzigen Text, die Anmeldung ist aber länger gültig. Statt im Abstand von zwei Jahren sollen sich Sexarbeiterinnen und - arbeiter nur noch alle vier Jahre eine Anmeldebescheinigung holen müssen, Verlängerungen können per Internet beantragt und erteilt werden. Für Frauen und Männer unter 21 Jahren sollen Abstände von zwei statt bisher einem Jahr gelten. Die Auflage, sich beim Amtsarzt einmal jährlich - für Jüngere halbjährlich - beraten zu lassen, schrumpft zu einer einmaligen Pflicht vor der ersten Anmeldung als Sexworker.
Das Gesetz soll zudem erst deutlich später in Kraft treten, nämlich erst zwei Jahre nach seiner Verabschiedung. Begründet wird dies wie die längeren Fristen mit dem Widerstand vor allem der Kommunen, deren Verwaltungen sich schon durch den Flüchtlingszustrom überfordert sehen. Das Ministerium denkt zudem daran, den Teil des Gesetzes, in dem es um mehr Auflagen für Bordelle geht - Betreiber müssten künftig unter anderem ein sauberes Führungszeugnis nachweisen - schon nach sechs Monaten in Kraft zu setzen oder ihn getrennt zur Abstimmung ins Parlament zu bringen. Die härteren Vorschriften für "Prostitutionsstätten" und Bordelliers werden sogar von Sexarbeits-Berufsverbänden akzeptiert oder begrüßt.
"Uferlose Definition von Prostitution"
Dagegen gibt es gegen Meldepflicht und die Wiedereinführung der Bescheinigung vom Gesundheitsamt - die einst vorgeschriebene ärztliche Untersuchung für den "Bockschein" wurde von Prostituierten als besonders herabwürdigend empfunden - heftigen Widerstand, auch aus den Ländern, vom Deutschen Frauenrat und vom Juristinnenbund. Die Juristinnen hielten den Entwurf für verfassungswidrig, unter anderem weil er die Berufsfreiheit von Sexarbeitern unzulässig einschränke und gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung verstoße. Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen hatte im August zudem eine „geradezu uferlose Definition von Prostitution“ im Entwurf gerügt. Demnach sollte als Prostituierte nicht mehr nur gelten, wer regelmäßig, sondern auch wer gelegentlich sexuelle Dienstleistungen anbietet.
Als Lohn sollte nicht nur Geld, sondern auch jede andere „geldwerte Gegenleistung“ gelten. Damit werde auch die Studentin, die mit ihrem Professor schlafe, oder die Obdachlose, die dies für ein Dach überm Kopf tue, stigmatisiert, sagte die Abteilungsleiterin der grünen Ministerin Barbara Steffens, die langjährige Leiterin des Runden Tischs Prostitution im Land, Claudia Zimmermann-Schwartz. Das Gesetz schaffe erst Prostituierte. Dieser heikle Passus ist auch im neuen Text nicht gestrichen. In einer Umfrage des Tagesspiegels im Sommer hatte sich allerdings herausgestellt, dass nicht nur die Union für Repression eintritt: Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) begrüßt die Anmeldepflicht, ihre Grüne Kollegin in Baden-Württemberg wünscht sogar die Einführung des schwedischen Sexkauf-Verbots, also das Verbot von Prostitution.
Amnesty fordert Legalisierung
Das neue "Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen" sollte das seit 15 Jahren gültige Gesetz der rot-grünen Regierung Schröder ablösen. Es schaffte damals erstmals in Deutschland die Sittenwidrigkeit von Prostitution ab, womit unter anderem der Lohn für Sex einklagbar und die Möglichkeit eröffnet wurde, sich in der Sozialversicherung anzumelden. Kritikerinnen bemängeln aber, dass es vor allem im Gewerberecht kaum oder gar nicht umgesetzt wurde.
Auch international ist der Umgang mit Prostitution hart umkämpft. Amnesty International entschied sich kürzlich nach langen internen Debatten und gegen heftigen Gegenwind, auf die Legalisierung von Sexarbeit hinzuwirken und Prostitutierte zum Ziel ihrer Menschenrechtsarbeit zu machen. Wer sexuelle Dienstleistungen anbiete, gehöre "einer der am stärksten an den Rand gedrängten Gruppen der Welt an", sagte Generalsekretär Salil Shetty nach dem Beschluss vom August.
Wer in der Branche arbeite, sei "ständig dem Risiko von Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt". Der beste Weg, die Menschenrechte von Sexarbeiterinnen zu sichern, sei, sie von staatlicher und gesellschaftlicher Repression zu befreien, so Shetty.
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