Prostitutionsgesetz: "Die Grundrechte von Sexarbeiterinnen werden inzwischen akzeptiert"
Margarete von Galen ist die wohl beste Kennerin des deutschen Prostitutionsgesetzes und seiner Auswirkungen. Eine Genehmigungspflicht für Bordelle hält sie für gut - andere Reformwünsche der Koalition allerdings weniger.
Frau von Galen, seit zwölf Jahren ist Prostitution nicht mehr sittenwidrig. Die Bundesregierung hat sich nun aber die Verschärfung des Gesetzes von damals vorgenommen. Fallen wir hinter 2002 zurück?
Während der Expertenanhörung im Frauenministerium diese Woche habe ich eher den Eindruck gewonnen, dass wir seit damals doch auch einen großen Fortschritt gemacht haben. Inzwischen ist weitgehend akzeptiert, dass bei allem was man regeln könnte, die Grundrechte von Sexarbeiterinnen zu schützen und zu respektieren sind. Vor zwölf Jahren hätte es noch geheißen, wer in der Prostitution arbeitet, verletzt die eigene Menschenwürde und muss vor sich selbst geschützt werden. Das ist ein Fortschritt, den man nicht übersehen darf. Ich weiß allerdings, dass die Verbände der Prostituierten und Bordellbetriebe da weniger optimistisch sind als ich.
Es geht um alte und neue Kontrollen, Prostituierte sollen sich anmelden müssen, Bordelle genehmigungspflichtig werden, selbst die alte amtsärztliche Pflichtuntersuchung, der „Bockschein“, den Prostituierte immer als entwürdigend und diskriminierend empfanden, ist in der Debatte.
Gegen eine Erlaubnispflicht für Bordelle ist nichts einzuwenden. Bordellbetriebe sind Gewerbebetriebe und unterliegen bereits seit 2002 der Pflicht, das Gewerbe anzumelden. Dies haben die Gewerbeämter jedoch bundesweit häufig nicht akzeptiert und damit auch auf Kontrollmöglichkeiten verzichtet. Da haben die Gewerbeämter in den letzten zwölf Jahren weitgehend versagt.
Das ist dann aber eine Frage der Umsetzung, nicht des Gesetzes selbst …
Stimmt. Wenn man jetzt eine Erlaubnispflicht einführen würde, wären die Gewerbeämter aber wohl gezwungen, ihrer Kontrollpflicht auch wirklich nachzukommen. Natürlich muss ein Bordellbetreiber zuverlässig sein. Mein Vorschlag wäre ein Prostitutionsstättengesetz nach dem Vorbild des Gaststättengesetzes, das die Voraussetzungen für eine Erlaubnis regelt. Soweit ich sehe, wird das auch von der Branche selbst akzeptiert. Liberalisieren müsste man allerdings das Baurecht. Die Rechtsprechung hat die Baunutzungsverordnung mittlerweile so interpretiert, dass Sexarbeit in gemischten Wohn-Gewerbe-Gebieten weitgehend unmöglich geworden ist. Da wird das Bauplanungsrecht ähnlich wie früher die Sittenwidrigkeit dazu benutzt, Prostitution auch dort zu vertreiben, wo sie niemanden stört.
Was sagen Sie zur Meldepflicht?
Die Polizei möchte mit einer zentralen Meldepflicht Reiseprofile der Prostituierten erstellen und damit dem Menschenhandel auf die Spur kommen. Ich halte dies für ein untaugliches Instrument. Der Menschenhändler wird dafür sorgen, dass die Frauen ordnungsgemäß angemeldet sind und sich dies auch noch von den Frauen bezahlen lassen. Konkrete Ansätze für Menschenhandel werden sich daraus nicht ableiten lassen. Auf der anderen Seite würde eine ganze Branche in dieser Weise überwacht, das wäre unverhältnismäßig. Ich hoffe, dass die Erfahrungen mit der NSA da doch etwas Zurückhaltung bewirken werden.
Und die Pflicht zum Amtsarztbesuch?
Pflichtuntersuchungen für Sexarbeiterinnen beim Gesundheitsamt werden von den Experten einhellig abgelehnt. Sie wären wohl auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil es keine Erkenntnisse gibt, dass sie epidemiologisch sinnvoll und erforderlich sind. Sie könnten sich sogar kontraproduktiv auswirken, wenn bei langer Inkubationszeit der falsche Anschein der Gesundheit erweckt würde.
In einem Punkt hat sich das rot-grüne Prostitutionsgesetz in zwölf Jahren als Fehlschlag erwiesen: Sozialversichert, wie es seit damals möglich ist, ist kaum ein Sexworker. Haben Sie Vorschläge?
Ich meine, der Gesetzgeber sollte sich von der Vorstellung von Prostitution im Angestelltenverhältnis verabschieden und Sexarbeit als freiberufliche oder sonstige selbstständige Tätigkeit anerkennen. Es handelt sich um eine höchstpersönliche Leistung und jede Art von Weisungsrecht des Bordellbetriebs kann eine Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung bedeuten – da bin ich mit der konservativen Kritik ausnahmsweise d’accord . Kein Bordellbetreiber stellt jemanden ein, dessen Tätigkeit er oder sie in keiner Weise bestimmen kann. Das Prostitutionsgesetz akzeptiert derzeit ein eingeschränktes Weisungsrecht, das sich letztlich nicht als praktikabel erwiesen hat.
Wenn Prostitution als freier Beruf oder sonstige selbstständige Tätigkeit definiert wird – das ließe sich durch Ergänzungen von bestehenden Vorschriften im Steuer- und Gewerberecht festlegen – können Prostituierte sich auch als Freiberuflerinnen versichern und wie Freiberufler Einkommensteuer bezahlen. Damit wäre ein weiteres Problem vom Tisch: In München zum Beispiel wird vermutet, dass Sexarbeiterinnen generell sozialversicherungspflichtig angestellt sind, mit der Folge, dass Bordelle mit Nachforderungen für Sozialabgaben und Lohnsteuer in massive finanzielle Schwierigkeiten gebracht werden. In Nürnberg geht man schon von der Selbstständigkeit der Frauen aus und in Berlin ebenfalls. Dieser Zustand ist ungerecht.
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