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Das älteste Gewerbe? Sicher eines der globalsten: Sexarbeiterinnen in einem Bordell in Surabaya in Indonesien.
© Fully Handoko/dpa

Sexarbeit: NRW kritisiert Prostitutionsgesetz scharf

Nordrhein-Westfalens rot-grüne Landesregierung geht hart ins Gericht mit dem geplanten Prostituiertenschutzgesetz der Bundesregierung: Es treibe Sexworkerinnen in die Illegalität.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung kritisiert den schwarz-roten Entwurf für ein neues Prostitutionsgesetz scharf. Neben inhaltlichen Einwänden hält die Regierung Kraft es auch für nicht umsetzbar: Das Gesetz sei, „so wie es sich im derzeitigen Entwurf darstellt, in weiten Strecken nicht vollzugstauglich“, heißt es in der Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Gesundheit und Emanzipation, die diese Woche veröffentlicht wurde. Es bestehe die Gefahr einer „Prostitutionsbürokratie“, die zudem „erst einmal aufgebaut werden muss“, erklärte Ministerin Barbara Steffens (Grüne).

Hure auch, wer ein Dach überm Kopf braucht?

Die Kosten, die der Gesetzentwurf aufführe, seien „viel zu niedrig angesetzt“. Dort ist von jährlich 17 Millionen Euro die Rede, für die Länder und Kommunen aufkommen müssten. Dazu kommt eine Anschubfinanzierung von knapp zwei Millionen Euro.
Inhaltlich stört sich das Ministerium neben der vorgeschriebenen Gesundheitsberatung und der geplanten Anmeldepflicht für Sexarbeiterinnen auch an einer „geradezu uferlosen Definition von Prostitution“. Dem Entwurf zufolge gilt als Prostituierte nicht mehr nur, wer regelmäßig, sondern auch wer gelegentlich sexuelle Dienstleistungen anbietet. Als Lohn gilt nicht nur Geld, sondern auch jede andere „geldwerte Gegenleistung“. Ob damit auch ein Essen oder eine bezahlte Reise gemeint sei, fragen die Verfasserinnen der Stellungnahme im Text. Dies würde aus ihrer Sicht auch Randgruppen treffen, die sich nicht als Prostituierte einordnen, „bei denen aber ein (oft unausgesprochenes) Tauschverhältnis üblich ist“, etwa Strichjungen oder obdachlose Frauen, wenn sie Sex als Gegenleistung für ein Dach überm Kopf bieten. "Dieses Gesetz macht Menschen erst zu Prostituierten", meint Steffens' Abteilungsleiterin Claudia Zimmermann-Schwartz. Sie leitete bis Oktober 2014 den "Runden Tisch Prostitution" in Nordrhein-Westfalen, der vier Jahre lang das Thema Prostitution aufarbeitete und dem etwa 70 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis angehörten. Dem Tagesspiegel sagte sie: "Wir wissen, dass der Weg in die Prostitution oft lang ist, viele brechen ihn auch ab, sind unschlüssig - und erhalten nun von Gesetzes wegen das Etikett 'Prostituierte'. Und wo soll ich Grenzen ziehen, wenn schon ein 'geldwerter Vorteil' richt? Soll sich jetzt auch die Studentin anmelden, die mit ihrem Professor schläft, weil sie auf ein besseres Examen hofft?"

"Tausende Sexarbeiterinnen werden in die Illegalität geschickt"

Ein glattes Nein formuliert das Land gegen die geplante Anmeldepflicht. Es sei "ein Konstruktionsfehler des Gesetzentwurfs, dass nicht sauber genug zwischen der Bekämpfung des Menschenhandels (Straftat) und der Regulierung der Prostitution (von der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit umfasste Tätigkeit) unterschieden wird". Erfahrungen mit der Meldepflicht in Wien hätten gezeigt, dass viele Menschenhandelsopfer eine ordentliche Anmeldung hätten - wenn sie dann die Kontrolle der Behörden bestünden, müssten sie glauben, "ihre Ausbeutung sei legal und vom Staat legitimiert". Ministerin Steffens fand, als sie die Stellungnahme in dieser Woche vorstellte, harte Worte für die Mechanismen, die das Gesetz aus ihrer Sicht in Gang setzen wird: Er werde "Tausende Sexarbeiterinnen in die Illegalität schicken" und entferne sich "weit von seinem ursprünglichen Ziel, Menschen in der Sexarbeit besser zu schützen".

Ja zu den Auflagen für Bordelle

"Im Grundsatz positiv" findet Nordrhein-Westfalens Regierung dagegen den Versuch, strengere Auflagen an den Betrieb von Bordellen zu knüpfen, etwa Mindeststandards für die Zuverlässigkeit von Bordellbetreibern zu verlangen. Das sei "eine sinnvolle Ergänzung des geltenden Prostitutionsgesetzes von 2002", heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums.
Dass es hier Lücken gab, geben auch die Befürworterinnen des alten Gesetzes zu, das 2002 die rot-grüne Regierung Schröder schrieb. Es schaffte vor 13 Jahren die Sittenwidrigkeit von Prostitution ab und und machte es möglich, dass Sexarbeiterinnen und -arbeiter sich regulär zur Sozialversicherung anmelden konnten, ohne eine bürgerlichere Beschäftigung zu erfinden ("Hausfrau"). In den Augen ihrer Kritikerinnen und Kritiker hat die Liberalisierung Deutschland zum Bordell Europas gemacht. Ihre Befürworter halten dagegen, dass wirklicher Schutz für Sexarbeiterinnen nur möglich sei, wenn ihre Arbeit legalisiert sei. Kürzlich bekannte sich, gegen massiven Widerstand, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zur Entkriminalisierung der Prostitution - und kritisierte dabei auch den schwarz-roten Gesetzentwurf.

Länder und Verbände haben noch bis zum 3. und 4. September Zeit, sich zum Gesetzentwurf von Bundesministerin Schwesig zu äußern.

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