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Wer folgt bei der Labour-Party auf Jeremy Corbyn?
© imago images/PA Images

Machtkampf bei der Labour Party: Mann gegen Frau, gemäßigt gegen links

Bei der Labour Party kommt das Rennen um die Nachfolge des gescheiterten Parteichefs Corbyn in Gang. Dabei zeichnet sich ein spannendes Duell ab.

Während der britische Regierungschef Boris Johnson sich zu Beginn des neuen Jahres noch auf der Karibikinsel Mustique erholte, ist die Labour Party schon längst nicht mehr im Ferienmodus. In der größten britischen Oppositionspartei ist bereits unmittelbar nach der Parlamentswahl ein Machtkampf um die künftige Ausrichtung ausgebrochen.

Dabei geht es um die Frage, ob die Labour Party weiterhin von den Getreuen des Noch-Parteichefs Jeremy Corbyn beherrscht werden oder demnächst auf einen gemäßigteren Kurs einschwenken soll. Nun ergab eine parteiinterne Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, dass sich die Parteilinken keine Hoffnungen machen können, auch künftig die Macht in der Labour Party in Händen zu halten.

Laut der in der Zeitung „Guardian“ veröffentlichten Umfrage hat der zum gemäßigten Flügel gehörende Brexit-Experte Keir Starmer die besten Chancen, künftig die Führung der Partei zu übernehmen. Bereits wenige Tage nach der Unterhauswahl, die für die Labour Party krachend verloren ging, hatte sich Starmer offensiv gegen Corbyn in Stellung gebracht. Starmer hatte beklagt, dass es seiner Partei nicht gelungen sei, das Wahlmotto von Premier Johnson („Get Brexit done“) auseinanderzunehmen.

Der Brexit-Experte der Labour Party, Keir Starmer.
Der Brexit-Experte der Labour Party, Keir Starmer.
© Peter Nicholls/Reuters

Starmer gilt als klarer EU-Befürworter

Starmer gilt im Gegensatz zu Corbyn und anderen Parteilinken als klarer EU-Befürworter. Er war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Labour Party im Falle eines Wahlsiegs ein zweites Referendum über die EU-Mitgliedschaft versprochen hatte.

Nachdem die Schlacht um den Brexit in Großbritannien politisch entschieden ist und der EU-Austritt Ende des Monats bevorsteht, hat Starmers Etikettierung als Befürworter der Europäischen Union an Bedeutung verloren. Bei der Entscheidung über Corbyns Nachfolge dürften nun andere Kriterien ausschlaggebend sein. Dabei könnte es dem 57-jährigen Starmer zugute kommen, dass er in seiner Partei einen Ausgleich zwischen eher sozialdemokratisch angehauchten Mitgliedern und den Aktivisten der linken Momentum-Bewegung rund um Corbyn sucht.

Die Konkurrentin Long-Bailey gehört der Parteilinken an

In der kommenden Woche soll das Verfahren zur Wahl eines neuen Parteichefs oder einer Parteichefin beginnen, im März wird das Ergebnis des parteiinternen Auswahlprozesses erwartet. Während Starmer seine Kandidatur offiziell noch nicht bekannt gegeben hat, ist Rebecca Long-Bailey bereits ins Rennen gestartet. Die Tochter eines Hafenarbeiters, die in Corbyns Schattenkabinett bisher Wirtschaftsministerin war, gehört der Parteilinken an und gilt dort gewissermaßen als natürliche Nachfolgerin des bisherigen Parteichefs.

Allerdings hält sich ihr Rückhalt in der gesamten Partei in Grenzen: Laut der YouGov-Umfrage fand die 40-Jährige nur bei 39 Prozent der Parteimitglieder Unterstützung, während sich 61 Prozent der Befragten für Starmer aussprachen. Die Umfrage unter 1059 Mitgliedern der Partei ergab auch, dass Starmer in allen Regionen des Vereinigten Königreichs, aber auch in sämtlichen Altersgruppen und sozialen Schichten vor der Parteilinken lag.

Das Ergebnis der Umfrage dürfte nicht zuletzt Corbyn aufhorchen lassen, der die Partei seit seinem Amtsantritt als Vorsitzender im Jahr 2015 auf einen strikten Linkskurs getrimmt hatte. Bei der Parlamentswahl von 2017 war ihm noch ein Achtungserfolg gelungen; seinerzeit hatte er die damalige Regierungschefin Theresa May an den Rand einer Niederlage gebracht. Corbyns Wackelkurs beim Brexit und die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Parteivorsitzenden sorgten im vergangenen Monat aber dafür, dass die Labour Party bei der Parlamentswahl ihr schlechtestes Ergebnis seit 1935 einfuhr.

Am 9. Januar könnte das Brexit-Gesetz verabschiedet werden

Johnson verdankte seinen Wahlsieg vor allem dem Umstand, dass Brexit-Befürworter unter den Labour-Wählern in Mittel- und Nordengland zu den Konservativen übergelaufen waren. In seiner Neujahrsansprache hatte der Premierminister die Briten dazu aufgefordert, die durch den EU-Austritt ausgelöste „Spaltung, den Groll und die Ungewissheit“ hinter sich zu lassen. In der kommenden Woche versammeln sich die Unterhausabgeordneten nach der Weihnachtspause erneut, um ihre Beratungen über Brexit-Gesetz fortzusetzen. Wenn alles nach Johnsons Plan verläuft, soll das Brexit-Gesetz am 9. Januar vom Unterhaus endgültig verabschiedet werden.

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