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Emmanuel Macron begrüßt Frank-Walter Steinmeier in Straßburg
© REUTERS/Philippe Wojazer

100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs: Macrons Woche des Gedenkens

Der französische Staatspräsident reist durch sein Land, die Tour steht im Zeichen der Erinnerung. Zum Auftakt stößt Frank-Walter Steinmeier dazu.

Die fünfjährige Amtszeit eines französischen Präsidenten ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Das hat inzwischen offenbar auch Emmanuel Macron erkannt. Frankreichs Staatschef gönnte sich ein paar Tage Erholung in der Normandie, bevor er in eine Woche startete, die ganz im Zeichen der verheerenden Geschichte Europas und der aktuellen Krisen der EU steht.

Die Ruhepause kann Macron, der ansonsten auch schon einmal um drei Uhr morgens Nachrichten auf dem Messengerkanal Telegram verschickt, gut gebrauchen. Denn die Woche der Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkrieges fällt für ihn in eine schwierige innenpolitische Phase.

Er zweifelt an allem“, zitierte die Zeitung „Le Parisien“ jüngst einen engen Berater Macrons. Der heute 40-jährige Staatschef hatte sich vor eineinhalb Jahren im Präsidentschaftswahlkampf klar gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen durchgesetzt. Zwar hat sich an der Abneigung der Franzosen gegen die Chefin der Partei „Rassemblement National“ im Grundsatz in der Zwischenzeit nichts geändert.

Abstieg in den Umfragen

Dies zeigte eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Umfrage, der zufolge ein möglicher Wahlsieg Le Pens bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 nach der Ansicht der meisten Befragten dramatische negative Folgen hätte. Doch für Macron kann das kaum beruhigend sein, denn seine eigenen Beliebtheitswerte sind weiter im Sinkflug. Zuletzt bescheinigten ihm Umfragen nur noch Zustimmungswerte zwischen 21 und 26 Prozent.

Der Abstieg in den Umfragen begann für Macron im vergangenen Sommer. Damals wurde während des Skandals um seinen ehemaligen Leibwächter Alexandre Benalla der Vorwurf laut, dass der Staatschef arrogant über die Köpfe der Franzosen hinwegregiere. Seither gab es kaum positive Nachrichten für Macron. Auch eine Kabinettsumbildung nach dem Rücktritt des beliebten Innenministers Gérard Collomb brachte nicht den gewünschten Befreiungsschlag.

Friedensgipfel in Paris

Auch aus diesem Grund haben für den Staatschef die Feiern zum Weltkriegsgedenken eine entscheidende Bedeutung. Der „Große Krieg“, wie die Franzosen den Ersten Weltkrieg nennen, bot bereits am Sonntag für Macron und den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier einen Anlass, beim gemeinsamen Besuch eines Konzerts im Straßburger Münster im Elsass an die deutsch-französische Aussöhnung zu erinnern. Anschließend wird Macron ab diesem Montag bis zum Ende der Woche Weltkriegs-Stätten in elf verschiedenen Départements besuchen.

Mit einer Reise durchs Land will Macron verlorene Sympathien zurückgewinnen.
Mit einer Reise durchs Land will Macron verlorene Sympathien zurückgewinnen.
© Charly Triballeau, AFP

Am Freitag will er mit der britischen Premierministerin Theresa May an die Schlacht an der Somme erinnern. Am folgenden Tag ist in Compiègne, wo der Waffenstillstand geschlossen wurde, ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel geplant. Die knapp einwöchige Tour durch den Norden und Osten des Landes stellt für den Präsidenten eine außergewöhnlich lange innerfranzösische Reise dar – und eine Möglichkeit, sich den Wählern zu stellen.

Am kommenden Sonntag wird Macron dann in Paris einen Friedensgipfel eröffnen, zu dem rund 70 Staats- und Regierungschefs erwartet werden, darunter Donald Trump und Wladimir Putin. Wegen der Präsenz des US-Präsidenten und des Kremlchefs knüpfen sich große Hoffnungen an ein mögliches bilaterales Treffen, bei dem die beiden über die Zukunft des INF-Abrüstungsabkommens sprechen könnten, das auf der Kippe steht.

Ein Stimmungstest

Für Macron besteht zwischen den Schrecken zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts und dem wiederaufkeimenden Nationalismus in der Gegenwart eine direkte Verbindung. Der Zeitung „Ouest-France“ sagte der Staatschef in der vergangenen Woche, dass es Ähnlichkeiten zwischen der Jetztzeit und der Epoche zwischen beiden Weltkriegen gebe. Ähnlich zugespitzt ist auch die Botschaft, mit welcher die Regierung in Paris für die Europawahl im kommenden Mai wirbt.

Bei der Entscheidung über das künftige Europaparlament, die für Macron ein wichtiges Votum darstellt, gehe es um „Einheit oder Spaltung“ in Europa, heißt es in einem von der Regierung in Auftrag gegebenen Video, das mit dramatischer Musik unterlegt ist. Der Clip wurde inzwischen über eine Million Mal angeklickt. Doch bei einigen kam er schlecht an. Das Video sei „Angstmache“, sagte die Sprecherin der oppositionellen Republikaner, Laurence Sailliot.

Wie die Stimmung an der Basis tatsächlich ist, wird Macron in dieser Woche während seiner Reise testen können. Spannungsgeladen könnte die Tour werden, wenn der Präsident im nordfranzösischen Kohlerevier an der Gemeinde Saint-Saulve vorbeikommt. Im dortigen Stahlwerk, das von der Schließung bedroht ist, bangen 281 Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze.

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