Appell des französischen Präsidenten: Macrons Plan gegen Europas Populisten
Der französische Präsident Macron schafft mit seinem Europa-Appell eine Polarisierung im Europawahlkampf. Ob die CDU dabei mitmacht, ist offen. Eine Analyse.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in einem Gastbeitrag für Tageszeitungen in den 28 EU-Ländern einen „Neubeginn für Europa“ gefordert. Auf zahlreichen Feldern mahnt Macron eine Erneuerung der EU an. Die Vorschläge reichen von einer Reform der Wettbewerbspolitik bis zu einer Überarbeitung der EU-Verträge.
Derselbe Ansatz wie bei der Sorbonne-Rede
Macron bedient sich mit dem Gastbeitrag desselben Ansatzes, den er schon im September 2017 in seiner Rede an der Sorbonne-Universität gewählt hatte. Damals feuerte er ein regelrechtes Ideen-Feuerwerk ab, um Europa weiterzuentwickeln. Zu seinen Forderungen zählten seinerzeit unter anderem eine EU-Eingreiftruppe und die Reform der Euro-Zone.
Vor allem bei seiner damaligen Forderung, ein eigenes Budget für die Euro-Zone zu schaffen, ging es ans Eingemachte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) brauchte wegen der Koalitionsverhandlungen zu Beginn des vergangenen Jahres lange, um auf den Vorschlag des französischen Präsidenten zu reagieren. Inzwischen ist Macrons Projekt aber fest auf der europäischen Tagesordnung verankert. Berlin und Paris haben eine Grundsatzeinigung über ein solches Budget erreicht, mit dem der Zusammenhalt der 19 Länder mit der Gemeinschaftswährung gewährleistet werden soll. Damit ist Frankreichs Staatschef aber noch nicht am Ziel. Denn mindestens acht EU–Länder, darunter die Niederlande, lehnen zusätzliche Zahlungen in einen neuen Euro-Topf ab.
Macron steht innenpolitisch unter Druck
Nicht alle der Vorschläge, die Macron aktuell vorgelegt hat, sind neu. So tauchte auch die Forderung einer EU-Asylbehörde in seiner Sorbonne-Rede vor eineinhalb Jahren auf. Grundsätzlich geht es dem Hausherrn im Elysée-Palast bei seinen Europa-Interventionen um das Prinzip „Steter Tropfen höhlt den Stein“: Nach der Auffassung des französischen Präsidenten sind die europäischen Entscheidungsprozesse zu langsam. Daher wünscht er sich eine effizientere EU.
Allerdings geht es Macron nicht allein um eine Neuordnung der EU. In der Innenpolitik möchte sich der 41-Jährige wie schon im Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2017 als Pro-Europäer klar gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen positionieren. Laut Meinungsumfragen muss er sich mächtig ins Zeug legen, damit seine Partei „La République en Marche“ (LREM) bei der Europawahl Ende Mai die Nase vorn behält. Demnach kann LREM gegenwärtig mit einem Stimmenanteil von 24 Prozent rechnen, während Le Pens „Rassemblement National“ auf 20 Prozent kommt.
Auf der politischen Ebene der EU zielt Macrons Appell in erster Linie darauf ab, die Europawahl zu einem politischen Wettkampf mit den Populisten und Nationalisten wie dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban zuzuspitzen. Auf der anderen Seite stehen laut der politischen Schlachtordnung des Präsidenten die „progressiven“ Kräfte in der EU – mit ihm an der Spitze.
Orban nimmt offenbar den Fehdehandschuh des Präsidenten auf
Orban ist offenbar bereit, den Fehdehandschuh des französischen Präsidenten aufzunehmen. Zunächst initiierte der ungarische Regierungschef eine Anti-EU-Plakatkampagne, die sich gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, den US-Milliardär George Soros und die angebliche Förderung der illegalen Migration in der EU richtete. Inzwischen hat Orban angekündigt, dass er bei der nächsten Kampagne der Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, aufs Korn nehmen will.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
Angesichts des aggressiven Kurses des ungarischen Regierungschefs wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Europäische Volkspartei (EVP) die ungarische Regierungspartei Fidesz ausschließt. Zwölf Mitgliedsparteien aus neun EU-Ländern haben Anträge auf einen Fidesz-Ausschluss gestellt. Bei einer Sitzung des EVP-Vorstandes am 20. März könnte eine Entscheidung über einen möglichen Bann der Fidesz fallen.
Ob es zu einem Rauswurf der Fidesz kommt, dürfte nicht zuletzt von der Haltung von Kanzlerin Merkel und von Annegret Kramp-Karrenbauer abhängen. Die CDU-Chefin traf in der vergangenen Woche in Berlin den stellvertretenden Vorsitzenden der Fidesz-Partei, Gergely Gulyas. Kramp-Karrenbauer forderte die Fidesz dabei auf, von den gemeinsamen Werten der EVP nicht abzurücken. Ob Merkel, Kramp-Karrenbauer und nicht zuletzt der EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber (CSU), aber endgültig den Stab über Orban brechen werden, bleibt abzuwarten.