Rede zur Zukunft Europas: Macron will die EU noch weiter vertiefen
Frankreichs Präsident breitet seine Pläne zur Zukunft Europas aus. Er beharrt auf einem gemeinsamen Budget für die Euro-Zone - trotz deutscher Bedenken.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich für eine deutliche Vertiefung der Europäischen Union im kommenden Jahrzehnt ausgesprochen. Im ehrwürdigen Amphitheater der Pariser Sorbonne-Universität führte Macron am Dienstag seinen Plan für eine „Neugründung“ der Europäischen Union weiter aus. In seiner europapolitischen Grundsatzrede vor Studenten der Universität erklärte Macron, dass die Euro-Zone „das Herz eines integrierten Europas“ werden könne. Für die Euro-Zone forderte Frankreichs Staatschef ein eigenes Budget, das aus Steuermitteln finanziert werden könne. Die FDP, die als künftiger Koalitionspartner von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Betracht kommt, lehnt den Vorschlag ab.
Macron nahm in seiner Rede die Vorbehalte aus Deutschland auf und erklärte, es gehe ihm bei der Schaffung eines Euro-Zonen-Budgets nicht um eine Vergemeinschaftung von Schulden aus der Vergangenheit. Es brauche aber mehr Investitionen, unter anderem auf den Feldern der Energiewende, der Sicherheitspolitik oder der digitalen Revolution. Dafür brauche es einen „stärkeren Haushalt“, einen eigenen Euro-Finanzminister sowie eine gesonderte parlamentarische Kontrolle. Von einer starken Euro-Zone würden alle Länder profitieren, welche die Gemeinschaftswährung in Zukunft einführen würden, sagte der Staatschef. Damit schloss er sich dem Vorschlag von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker an, bei der Erweiterung der Euro-Zone Tempo zu machen.
Auf dem Feld der Verteidigungspolitik sprach sich der Präsident für ein gemeinsames europäisches Verteidigungsbudget aus. Die Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik solle auch auf die Kooperation bei der Terrorbekämpfung ausgedehnt werden, forderte er. Darüber hinaus mahnte Macron Beschlüsse zur Weiterentwicklung der europäischen Asylpolitik – insbesondere die Schaffung einer europäischen Asylbehörde – für das kommende Jahr an. Um den afrikanischen Kontinent als „strategischen Partner“ finanziell zu unterstützen, wolle er sich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene einsetzen, versprach Macron.
Vision eines deutsch-französischen Marktes bis 2024
Zudem sprach sich Frankreichs Staatschef für einen einheitlichen deutsch-französischen Markt aus, in dem die entsprechenden Gesetze bis 2024 harmonisiert werden könnten. Mit Blick auf den gesamten Kontinent zeichnete Macron das Bild eines „vereinfachten“ Europas, das sich für die Balkanstaaten öffnet und im Bedarfsfall auch Großbritannien nicht ausschließt.
In Berlin war Macrons Rede mit Spannung erwartet worden. Bereits im August hatte Frankreichs Staatschef in einem Interview des Magazins „Le Point“ seine europapolitischen Pläne skizziert. Schon damals hatte sich Macron dafür ausgesprochen, die EU neu zu gründen. Er sprach sich dabei für ein selbstbewussteres Auftreten der Europäer auf dem Feld der Handels- und Verteidigungspolitik gegenüber den USA und China aus. Gleichzeitig hatte er in dem Interview ein eigenes Budget für die Euro-Zone in der Größenordnung von „mehreren Prozentpunkten“ der europäischen Wirtschaftsleistung vorgeschlagen, das Investitionen im großen Stil ermöglichen soll.
Macron will eine europaweite Debatte
Anschließend hatte der Gründer der Bewegung „En Marche“, der im Mai die Rechtsextreme Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl aus dem Feld geschlagen hatte, Anfang September bei einer Rede in Athen eine europaweite öffentliche Debatte über die Zukunft des Kontinents gefordert. Er hatte es als Fehler bezeichnet, „die Kritik an Europa denjenigen zu überlassen, die es hassen“. Mit anderen Worten: Mit einer offenen Debatte über Fehlentwicklungen in der EU will Macron europaweit Rechtspopulisten wie dem Front National und der AfD das Wasser abgraben.
Seine Rede in der Sorbonne, bei der Macron seine Vorstellungen von der Zukunft der EU weiter konkretisierte, hatte Frankreichs Staatschef bewusst auf einen Zeitpunkt unmittelbar nach der Bundestagswahl gelegt. Mit diesem Timing will er sicherstellen, dass die möglichen künftigen Koalitionspartner in Berlin seine europapolitischen Vorstellungen berücksichtigen, wenn sie über ein neues Regierungsbündnis verhandeln.
Kanzlerin Merkel war den Plänen Macrons bereits vor der Bundestagswahl mit Vorsicht begegnet. Zwar zeigte sie sich grundsätzlich offen dafür, einen eigenen Etat für die Euro-Zone einzurichten. Nach ihrer Begegnung mit dem französischen Premierminister Edouard Philippe wies sie Mitte des Monats allerdings auch darauf hin, dass „Schlagworte“ wie ein Euro-Zonen-Budget auch mit Inhalt gefüllt werden müssten. Als rote Linie gilt für sie dabei die Vergemeinschaftung von Schulden auf europäischer Ebene.
Erstarken der AfD schränkt Merkels Spielraum ein
Das Erstarken der AfD bei der Bundestagswahl und die Aussicht auf eine mögliche Regierungsbeteiligung der FDP dürfte Merkels Spielraum noch einmal zusätzlich einschränken. Die Zeitung „Le Monde“ kam am Dienstag zu dem Urteil, dass der Ausgang der Wahl eine „schlechte Nachricht“ für Europa und Macron darstelle. Es sei wahrscheinlich, dass sich am Ende der Koalitionsverhandlungen „die Deutschen auf dem Rücken der anderen Europäer“ einigen würden, schrieb das Blatt.
Albrecht Meier