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In Paris und Brüssel wird schwarz-gelb-grünes Bündnis mit Sorge gesehen.
© imago/Jürgen Eis

Vor Macron-Rede: Kann eine Jamaika-Koalition auch Europa?

Bevor ein schwarz-gelb-grünes Regierungsbündnis kommt, müssten vor allem FDP und Grüne ihre Differenzen zum Thema EU überbrücken. Eine Analyse.

Frankreichs Regierungssprecher Christophe Castaner reagierte entsetzt, als er am Montag den Wahlausgang in Deutschland kommentierte. Er sprach von einem „bitteren Sieg“ für Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Regierungssprecher zeigte sich beunruhigt von einem Vormarsch der Rechtspopulisten, die „in Deutschland noch mehr als anderswo“ zur Radikalität neigten.. Im Klartext: Castaner hält die AfD für noch extremer als den französischen Front National (FN), deren Chefin Marine Le Pen im Rennen um die Präsidentschaft im Mai gegen Emmanuel Macron unterlegen war.

Für Macron verheißt die Tatsache, dass es in Deutschland am Sonntagabend einen Rechtsruck gegeben hat und sich die Bildung einer neuer Regierung mehrere Monate hinziehen dürfte, nichts Gutes. An diesem Dienstag will Frankreichs Staatschef in einer Rede an der Pariser Universität Sorbonne seine Pläne für die Zukunft der EU vorstellen. Ganz bewusst hatte Macron den Termin zwei Tage nach der Bundestagswahl gewählt, um so seine Europa-Vorstellungen rechtzeitig in die kommenden Koalitionsverhandlungen einzuspeisen. Dazu zählen die Schaffung eines eigenen Budgets für die Euro-Zone und ein EU-Finanzminister.

Bei einem Treffen mit dem französischen Premierminister Edouard Philippe im Kanzleramt hatte Merkel eine gute Woche vor der Wahl erklärt, „dass wir sehr eng mit Frankreich – egal welche deutsche Regierung es gibt – zusammenarbeiten werden“. Jenseits dieses Obersatzes ist allerdings offen, mit welchen konkreten Zugeständnissen aus Berlin Macron künftig rechnen kann. Einem Bericht der Zeitung „Le Monde“ zufolge soll Frankreichs Staatschef mit Blick auf Merkel gesagt haben: „Wenn sie sich mit den Liberalen verbündet, bin ich erledigt.“

Grüne fordern "Ende der einseitigen Austeritätspolitik"

Tatsächlich hält die FDP, Merkels möglicher neuer Regierungspartner in einem schwarz-gelb-grünen Jamaika-Bündnis, schon einmal nichts von Macrons Plänen zur Schaffung eines Euro-Zonen-Budgets. Statt dessen kann sich der bisherige Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, einen Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM zu einem Europäischen Währungsfonds vorstellen.

Der FDP-Europapolitiker, der den Einzug in den Bundestag schaffte, plädiert damit für eine Lösung, die für die Krisenstaaten im Süden Europas vor allem eines bedeuten würden: Geld würde es nur im Gegenzug gegen strikte Reformauflagen geben. Dass Macron bei einer FDP-Regierungsbeteiligung kein leichtes Spiel mit seinen Plänen für eine großzügige Politik gegenüber notleidenden Euro-Staaten haben dürfte, machte auch Christian Lindner am Montag deutlich. Der FDP-Chef mahnte eine Trendwende in der Euro-Politik an und forderte, dass die „alte stabilitätsorientierte“ Politik wieder aufgenommen werden müsse.

Ganz andere Akzente setzen die Grünen. Deren Europaabgeordneter Sven Giegold erklärte, dass zwar auch die Grünen „bedingungslose Transferzahlungen“ innerhalb der EU ablehnten. Allerdings setze sich die Partei für „ein solidarisch finanziertes Investitionsprogramm für Europa“ ein. „Mit der Union werden wir hart über das Ende der einseitigen Austeritätspolitik streiten“, so Giegold.

Junckers Kabinettschef twittert die Jamaika-Flagge

Dass man sich nicht nur in Paris, sondern auch in Brüssel mit dem Szenario einer Jamaika-Koalition auseinandersetzt, zeigt ein Tweet von Martin Selmayr, des mächtigen Kabinettschefs von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Kaum waren die ersten Hochrechnungen über den Bildschirm gelaufen, da verbreitete Selmayr am Sonntagabend im Kurznachrichtendienst die Jamaika-Flagge, eingerahmt von zwei Europafahnen.

Juncker erklärte derweil in einem Glückwunschschreiben an die Kanzlerin, dass Europa jetzt angesichts großer globaler Herausforderungen „mehr denn je eine stabile Bundesregierung“ brauche, „die tatkräftig an der Gestaltung unseres Kontinents mitwirkt“. „Ihre langjährige politische Erfahrung und Ihre intime Kenntnis der europäischen politischen Zusammenhänge werden dabei für Deutschland, seine Nachbarn in Europa und die Akteure in den EU-Institutionen von unschätzbarem Wert sein“, so Juncker.

Ganz anders sieht das der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann, dessen Partei am Sonntagabend Anstalten machte, sich in die Opposition zu verabschieden. „Das Bekenntnis zu Europa muss eine maßgebende Dominante in der deutschen Politik sein“, sagte Bullmann dem Tagesspiegel. „Das hat Merkel vermissen lassen.“ Er hielt der Kanzlerin und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, eine „zaudernde, nicht erklärte Europapolitik“ betrieben und damit zu einem Erstarken der AfD beigetragen zu haben.

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