Sylvie Goulard fällt durch: Macron macht von der Leyen für Kommissarsdebakel verantwortlich
Das EU-Parlament lehnt die französische Kommissionskandidatin Sylvie Goulard ab – und das Eurozonenbudget kommt auch nicht recht voran.
Die Chefin der nächsten EU-Kommission wird sich noch ein wenig gedulden müssen. Eigentlich wollte Ursula von der Leyen am 1. November in die Präsidentenetage im Brüsseler Kommissionsgebäude einziehen. Daraus dürfte nun nichts werden. Das EU-Parlament hat am Donnerstag auch die Französin Sylvie Goulard als künftige EU-Kommissarin abgelehnt – schon die dritte Kandidatin, die aus der Liste fiel nach der Rumänin Rovana Plump und dem Ungarn Laszlo Trocsanyi.
Die Anhörungen der neu zu benennenden Kandidaten in den Ausschüssen und die Abstimmung über von der Leyens Kommission werden nun nicht mehr wie geplant bis Ende Oktober über die Bühne gehen.
Besonders spektakulär: Das Parlament rebelliert mit der Ablehnung Goulards gegen die Kandidatin des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Sie sollte als Kommissarin für Binnenmarkt und Verteidigung ein zentrale Figur im Team von der Leyens werden. Goulards Eignung für den Job steht eigentlich außer Zweifel. Sie war eine der engsten Mitarbeiterinnen des ehemaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi, sie ist flammende Europäerin und hat in den acht Jahren als Mitglied des Europa-Parlaments bei ihren Kollegen den besten Eindruck hinterlassen. Und doch haben sie sie im zuständigen Ausschuss mit 82 gegen 29 Stimmen durchfallen lassen.
Der Stein des Anstoßes: Als EU-Abgeordnete hatte sie einen Mitarbeiter, der vom Parlament bezahlt wurde, für die Partei arbeiten lassen. Die EU-Betrugsermittler haben ein Verfahren eingeleitet. Außerdem hatte sie in ihrer Zeit als Abgeordnete einen Beratervertrag eines Lobbyunternehmens, den sie sich mit 10.000 Euro im Monat vergüten ließ. Die Europa-Abgeordneten nahmen Goulard besonders übel, dass sie wegen der Ermittlungen zwar 2017 als französische Verteidigungsministerin zurückgetreten ist, nun aber trotz immer noch schwelender Affäre den Job bei der EU-Kommission antreten will.
Macron machte von der Leyen unmittelbar nach der entscheidenden Abstimmung gegen Sylvie Goulard für das Debakel verantwortlich. Er habe die deutsche CDU-Politikerin auf die laufenden Ermittlungen gegen Goulard in einer Scheinbeschäftigungsaffäre hingewiesen, sagte ein sichtlich aufgebrachter Macron am Donnerstagnachmittag in Lyon. Diese habe sich aber dennoch für Goulard als Kandidatin entschieden
Alte Rechnung?
Es heißt, etliche Abgeordnete, zumal aus der Fraktion der Christdemokraten, wollten eine Rechnung mit Macron begleichen. Schließlich hatte der erbittert Widerstand geleistet, als der CSU-Politiker Manfred Weber, Chef der größten Fraktion, im Sommer Kommissionspräsident werden wollte. Angesichts der Goulard-Affäre zitierten sie zuletzt immer wieder die Worte von Macron aus dem Sommer, mit denen er Weber eine Abfuhr erteilte: „Wir brauchen Frauen und Männer, die den Aufbruch verkörpern, die über die nötige Erfahrung und Glaubwürdigkeit" für die wichtige Mission verfügten.“ Macron muss nun eine neue Kandidatin nominieren.
Zuvor waren schon keine guten Nachrichten aus Luxemburg nach Paris gedrungen. Denn die Finanzminister der Euro-Länder hatten sich nicht darauf einigen können, ein Lieblingsprojekt Macrons einen größeren Schritt nach vorne zu bringen. Das Eurozonenbudget – ein nur für Euro-Staaten und Beitrittswillige offener Ergänzungsetat im EU-Haushalt – soll weiterhin nur in der sehr abgespeckten Form kommen, auf die sich die Ministerrunde schon vor einigen Monaten verständigt hatte. Mehr als 17 Milliarden Euro sollen es nicht sein. Macron hatte 2017, als Reaktion auf die Finanzkrise, ein wesentlich größeres Volumen angestrebt, um die Währungsunion zu stärken.
Am Donnerstagabend aber gab es Widerstand aus den Niederlanden und den skandinavischen Ländern gegen die grundsätzlich auch von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) unterstützten Pläne, das Budget schon jetzt aufzustocken. Und die Regeln, auf die sich die Minister jetzt verständigten, begrenzen die Zahlungen an schwächere Länder deutlich. So sollen alle Euro-Länder mindestens wieder 70 Prozent ihrer Einzahlungen zurückbekommen. Scholz sah dennoch einen „Durchbruch“. Der Handlungsrahmen stehe jetzt, das Volumen lasse sich jederzeit ausweiten, wenn der politische Wille vorhanden sei. (mit dpa)