EU-Strategie vor Pariser Klimakonferenz: Machtlose Musterschüler
Die EU will, dass weit vor der Pariser UN-Konferenz alle Klimasünder ihre Reduktionsziele benennen – doch wichtige Staaten wie China spielen nicht mit.
Die Europäer gelten als Musterschüler in der Klimapolitik. Sieben Monate vor der UN-Klimakonferenz in Paris wird allerdings immer deutlicher, dass sie weltweit einen geringen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg des Treffens am Ende des Jahres haben. Vor allem China schert sich wenig um die EU-Vorgaben zur Vorbereitung des Pariser Gipfels.
Bei dem Treffen soll ein neues Abkommen zur Reduktion von Treibhausgasen beschlossen werden. Damit die Konferenz ein Erfolg wird, will die EU in den kommenden Monaten ihre Klimadiplomatie verstärken. Das Ziel: Allee 195 Staaten sollen sich an dem Pariser Vertragswerk beteiligen – also auch die USA, China und die Entwicklungsländer. Ein Konferenz-Desaster wie in Kopenhagen, als ein Klimakompromiss 2009 kläglich scheiterte, soll sich nach dem Willen der Europäer in der französischen Hauptstadt nicht wiederholen.
Bis Ende März legten nur 33 Länder ihre Klimaziele offen
Doch je näher das Treffen von Paris rückt, umso klarer wird auch, wie begrenzt der Einfluss der EU auf große Klimasünder außerhalb des Kontinents ist. Besonders anschaulich lässt sich das an einem EU-Dokument mit der Kennung COM (2015) 81 ablesen. Die 18-seitige Mitteilung, welche die EU-Kommission im Februar veröffentlichte, trägt den ambitionierten Titel „Das Paris-Protokoll – ein Blueprint zur Bekämpfung des globalen Klimawandels nach 2020“. Darin wird ein Fahrplan für die Vorbereitung des Pariser Gipfels aufgezeichnet. Insbesondere China, die USA und andere G-20-Länder, so lautete damals die Forderung der EU-Kommission, sollten bis Ende März konkrete Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase übermitteln. Bereits im vergangenen Oktober hatten die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen, dass die Kohlendioxid-Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden sollen.
Allerdings ist der Wille anderer Mitglieder der Staatengemeinschaft begrenzt, dem Beispiel der EU zu folgen und die Karten ebenfalls schon jetzt auf den Tisch zu legen. Bis Ende März legten nur 33 Länder, die noch nicht einmal ein Drittel der weltweiten Treibhausgas- Emissionen verantworteten, bei den Vereinten Nationen ihre Reduktionsziele offen. Zwar waren wichtige Länder wie die USA und Russland darunter. Aber es fehlten entscheidende Staaten aus der G-20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Immerhin hat China in der Vergangenheit angekündigt, dass die Emissionen vor 2030 sinken sollen.
Trotzdem steigt auch das Risiko, dass die Pariser Konferenz zu einem ähnlichen Flop wird wie das Kopenhagener Treffen. Auf dem Treffen selbst, das wissen alle Beteiligten, wird keine Zeit mehr sein, um im großen Stil über die Reduktionsziele der einzelnen Staaten zu feilschen. Bei der UN-Konferenz von Lima hatte die Staatengemeinschaft deshalb vereinbart, dass auch große Klimasünder wie China ihre Reduktionsziele schon weit im Vorfeld des Pariser Treffens publik machen sollen. Und aus diesem Grund sei vor dem Showdown am Jahresende, so heißt es noch in der Kommissionsmitteilung vom Februar, „eine solide Einigung in Paris in greifbare Nähe“ gerückt.
Centrum für Europäische Politik: Scheitern der Konferenz führt zu hohen Kosten
Doch viele Beobachter teilen diesen Optimismus nicht. „Die Klimaschutzverhandlungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass ein echter internationaler Konsens beim Klimaschutz nur äußerst schwer zu erreichen ist“, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Analyse des Freiburger Centrums für Europäische Politik (CEP). Grundsätzlich, so heißt es in der Bewertung der Denkfabrik, sei ein rechtsverbindliches Abkommen, wie es am Jahresende angestrebt wird, das Optimum. Allerdings bemängelt das CEP das Fehlen eines Plans B aufseiten der Kommission – für den Fall, dass sich die Staaten nicht auf ein verpflichtendes Vertragswerk einigen können. Ein Scheitern wie in Kopenhagen würde „zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten in der EU“ führen, heißt es weiter. Dieses Szenario würde eintreten, wenn sich andere Staaten klimapolitisch einen schlanken Fuß machen, während die EU an ihren klimapolitischen Zielen festhält – und dies der Analyse zufolge ohne relevanten klimapolitischen Nutzen.
Internationale Zivilluftfahrtorganisation bleibt hinter EU-Erwartungen zurück
Hinter den Erwartungen der EU-Kommission sind bislang auch die Internationale Zivilluftfahrorganisation (ICAO) und die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) zurückgeblieben. Nach dem Wunsch der Brüsseler Behörde sollen diese weltweit agierenden Organisationen ihre Emissionen wirksam regeln. Der Appell dient dem Zweck, bestehende Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Nach gegenwärtigem Stand unterliegen EU-Fluggesellschaften dem Emissionshandel und haben deshalb etwa gegenüber Konkurrenten aus dem Mittleren Osten, wo Klimaschutzmassnahmen für den Luftverkehr fehlen, einen Nachteil. Dennoch hätten die internationalen Luft- und Schifffahrtsorganisationen der Forderung der Kommission zum Trotz laut CEP noch keine gemeinsame Regelung zum Abbau der Emissionen gefunden.
Inzwischen beginnt man allerdings auch in der Brüsseler Behörde zu ahnen, dass auch in Paris der große klimapolitische Wurf ausbleiben könnte. Im Februar dämpfte der spanische Energiekommissar Miguel Arias Canete in einer Rede vor dem industrienahen Atlantic Council in Washington schon einmal die Erwartungen an die UN-Konferenz. Falls in Paris die Verpflichtungen der Staaten nicht ausreichen sollten, um eine Erderwärmung um zwei Grad zu verhindern, könne man nicht zwangsläufig von einem Scheitern sprechen, sagte Canete.
Der Text erschien in der "Agenda" vom 12. Mai 2015 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.
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