Klimaverhandlungen: Einigkeit über 86 Seiten Uneinigkeit
Nach einer Woche Verhandlungen haben die Klimadiplomaten der Welt einen Vertragsentwurf für das geplante Weltklimaabkommen vorgelegt. Es besteht vor allem aus Textvarianten mit höchst unterschiedlichen Inhalten. Der Weg nach Paris ist noch lang.
Die Chefin des UN-Klimasekretariats (UNFCCC), Christiana Figueres, fühlt sich nach einer Woche harter Klimaverhandlungen in Genf "ermutigt vom konstruktiven Geist" der Gespräche. "Wir haben jetzt einen formalen Verhandlungstext, der die Positionen und Bedenken aller Länder enthält", sagte Figueres, und damit fasst sie den Charakter des Dokuments treffend zusammen. Die 190 Delegationen, die bis Dezember ein neues Klimaabkommen ausgehandelt haben wollen - beim Klimagipfel in Paris (COP21) soll der Vertrag beschlossen werden - haben alle Spuren in dem Dokument hinterlassen. Eine eckige Klammer reiht sich an die nächste. Eckige Klammern stehen in Verhandlungsprozessen der Vereinten Nationen für Uneinigkeit. Dann stehen verschiedene Positionen gegeneinander. Manchmal sind es nur zwei Varianten, es können aber auch viel mehr sein.
Figueres lobt, dass die Verhandlungen sich im Zeitplan bewegen, der beim 20. Klimagipfel in Lima im vergangenen Dezember beschlossen worden war. Die deutschen Klimaverhandler sehen den Text ebenfalls als Schritt auf dem Weg zum Abkommen. Euphorie will aber nicht aufkommen. Aus dem Umweltministeriums heißt es: "Es liegt jetzt ein Text vor, der von allen Vertragsparteien akzeptiert wird." Das "ist ein wichtiger Fortschritt, aber sicher noch kein Durchbruch". Denn es gebe für viele Fragen nicht "eine gemeinsame Lösung, sondern viele unterschiedliche Optionen". Nun gelte es, die Zahl der Optionen zu reduzieren und "gemeinsame Lösungen zu entwickeln". Dabei will Deutschland auch eine aktive Rolle spielen. Im Mai findet zum sechsten Mal ein sogenannter Petersberger Klimadialog statt, zu dem die Bundesregierung rund 30 Regierungen einlädt. Auch Figueres weist auf dieses Forum hin, bei dem die Verhandlungen "vertieft" werden könnten.
Vorsichtiger Optimismus bei den Umweltverbänden
Julie-Anne Richards von der Nichtregierungsorganisation (NGO) Climate Justice Programme sieht den ersten Härtetest für den Verhandlungswillen der Vertragsparteien in diesem Frühjahr, wenn alle Staaten ihre selbst gesteckten Zielvorgaben für den Klimaschutz bekannt geben und ins UNFCCC nach Bonn melden werden. Sönke Kreft von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch lobte "nach dem schwierigen Klimagipfel in Lima" zumindest die "konstruktive Arbeitsatmosphäre".
Tasneem Essop, der die Delegation der Umweltstiftung WWF anführte, verwies darauf, dass am letzten Verhandlungstag in Genf der erste "Global Divestment-Day" gefeiert worden ist. Die Idee stammt vom Alternativen Nobelpreisträger 2014, Bill McKibben, der die Klima-Aktivistengruppe 350.org gegründet hat. Seine Organisation kämpft seit einigen Jahren dafür, dass öffentliche Institutionen wie Universitäten ihre Vermögen nicht mehr in Unternehmen anlegen, die mit der Klimazerstörung ihr Geld verdienen, also der Kohle-, Öl- und Gasindustrie. Diese Kampagne zur De-Investition ist ziemlich erfolgreich. Selbst der weltgrößte Anlagenfonds, der norwegische Ölfonds, hat jüngst angekündigt, seine Geldanlagen in der Kohleindustrie abzuziehen.
Die nächste reguläre Verhandlungsrunde wird im Juni in Bonn stattfinden. Wenn es den Verhandlern dann nicht gelingt, die Zahl der eckigen Klammern in dem Verhandlungstext deutlich zu vermindern, stehen die Chancen für einen substanziellen Vertragsabschluss im Dezember eher schlecht. Andererseits sagte der ehemalige indische Umweltminister Jairam Ramesh: "Die Klimadiplomaten werden keinen Vertrag zustande bringen." Das könnten nur die politischen Chefs. Die sehen sich im ersten Halbjahr mehrfach: beim Petersberger Klimadialog und beim G-7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern gleich zweimal in Deutschland.
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