Bund und Länder vor Corona-Lockerungen: Macht die Tür nicht zu weit auf!
Der Weg aus dem Lockdown wird schwerer als der Weg hinein. Die Politik muss das Risiko besser erklären. Ein Kommentar.
Es wird aber auch langsam mal Zeit – das dürften sich viele Bürgerinnen und Bürger denken, wenn es um ein Ende des Lockdowns geht. Das Verlangen nach Entlastung ist riesig. Eltern sind mit den Nerven am Ende, Wirtsleute bangen um ihre Existenzen, Hunderttausende in Kurzarbeit wollen endlich zum Normalbetrieb zurück. Vom lang ersehnten Osterbesuch bei Verwandten oder Freunden ganz zu schweigen.
Mehr als die Hälfte der Deutschen wünscht sich laut ZDF-Politbarometer Lockerungen der Corona-Regeln. 21 Prozent wollen das „auf jeden Fall“, 35 Prozent sind dafür, solange die Fallzahlen nicht stark steigen.
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Wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch mit den Länderchefs zum nächsten Corona-Gipfel zusammenschaltet, wird es genau darum gehen: Wie kann das Land den Lockdown langsam hinter sich lassen?
Tatsächlich gibt es gute Gründe, die Corona-Vorschriften zu lockern. Doch weniger Regeln bedeuten nicht automatisch, dass alles einfacher wird. Im Gegenteil: Das Risiko für einen Rückschlag steigt mit der Öffnung. Umso größer ist der Druck auf die Politik, klug und verantwortungsvoll zu handeln – und sich nicht in Streit und Profilierungsversuchen zu verlieren.
Zeichen der Hoffnung
Aus gesundheitspolitischer Sicht spricht einiges für die Lockerungen. Das zentrale Argument für die Kontaktbeschränkungen war zu Anfang der Pandemie die drohende Überlastung des Gesundheitssystems.
Diese Gefahr ist mittlerweile geringer geworden. In der Hauptrisikogruppe, den 800.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen, ist inzwischen deutlich mehr als die Hälfte ein zweites Mal geimpft. Die Heime melden einen deutlichen Rückgang der Todeszahlen.
Das heißt: Auch bei hohen Inzidenzwerten, wie aktuell mehr als 60 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen, sterben weniger Menschen an Covid-19 als vor Beginn der Impfkampagne. Dass im März die Schnelltests für den Eigengebrauch kommen sollen, macht ebenfalls Hoffnung.
Insofern wäre es richtig, die Aussicht auf Lockerungen nicht wie bisher stoisch an einem Inzidenzwert von 35 festzumachen (der wegen der Mutationen ohnehin in weiter Ferne liegt), sondern weitere Kriterien in den Blick zu nehmen. Das Robert Koch-Institut empfiehlt, neben der Inzidenz auch die Auslastung der Intensivstationen und den Stand der Kontaktverfolgung zu berücksichtigen.
Politisch wird es dadurch allerdings deutlich schwieriger – nicht zuletzt für Merkel. Ihre Rolle in den Verhandlungen mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten war bislang recht einfach: Sie gab die Bremserin, während einige Länder auf Öffnung drängten.
Halten Bund und Länder zusammen?
Diese Position wird sie nun nicht mehr durchhalten können. Der Ton der Debatte ist längst rauer geworden, die Attacken aus den Ländern schärfer. „Die Leute haben die Schnauze voll“, schimpfte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) vergangene Woche.
Selbst der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), bislang auf der Seite der harten Lockdowner, stellt einzelne Öffnungen in Aussicht – etwa für Sportler oder Baumärkte.
Obwohl Forscher vor der „dritten Welle“ warnen, wird es bei dem Bund-Länder-Treffen am Mittwoch dann auch nicht mehr um die Frage gehen, ob Lockerungen möglich sind, sondern wie diese umgesetzt werden können. Der Streit darüber ist absehbar, Merkel wird einiges zu tun haben, die Runde zusammenzuhalten.
Darin besteht die große Gefahr: Können sich Bund und Länder nicht auf einen Öffnungsplan einigen, wäre die Enttäuschung in der Bevölkerung wohl groß. Doch auch wenn man Lockerungen vereinbart, könnte das als ein Signal der Entwarnung missverstanden werden.
Merkel und Co. werden den Weg raus aus dem Lockdown besser erklären müssen als den Weg hinein. Sonst reißen sie womöglich die Tür zu mehr gesellschaftlicher Normalität diese Woche so weit auf, dass sie sie im Notfall nicht mehr zukriegen.