„Jeder Tag zählt“: Ministerpräsidenten wollen Astrazeneca-Impfstoff sofort für alle freigeben
Trotz der Skepsis soll kein Impfstoff liegen bleiben, geht es nach Söder und Kretschmann. Ein Immunologe schlägt derweil vor, Kanzlerin Merkel live zu impfen.
Aus den Bundesländern kommen Forderungen nach einer Lockerung der Impfreihenfolge, um die Verschwendung von liegen gebliebenem Corona-Impfstoff zu vermeiden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (SCU) schlug vor, hunderttausende ungenutzte Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs aus den Depots der Bundesländer zur Impfung für alle freizugeben.
„Bevor er liegen bleibt: impfen wer will. Es darf keine Dose von Astrazeneca übrig bleiben oder weggeschmissen werden. Denn jeder Geimpfte schützt sich und andere“, sagte Söder der „Bild am Sonntag“.
Deutschland müsse beim Impfen Tempo machen: „Jeder Tag zählt.“ Es könne nicht sein, dass einerseits zu wenig Impfstoff vorhanden sei, aber andererseits Astrazeneca-Vakzin „in hohen Zahlen nicht verimpft wird“.
Der bayerische Regierungschef strebt daher eine bundesweite Regelung an, für das Astrazeneca-Vakzin die Impfreihenfolge zu lockern. Zudem solle der Impfstoff auch durch Hausärzte verimpft werden können.
Um der Skepsis gegen Astrazeneca in Deutschland zu begegnen, hat sich ein führender Immunologe dafür ausgesprochen, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) live im Fernsehen mit dem Präparat impfen lässt. Das sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, dem britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender BBC in einem Radiointerview.
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Es sei bereits abzusehen, dass die Ständige Impfkommission das Vakzin auch für die über 65-Jährigen empfehlen werde, so Watzl. „Wenn Angela Merkel zu diesem Zeitpunkt ins Live-Fernsehen gehen würde und mit dem Impfstoff geimpft würde, wäre das natürlich großartig“, so der Immunologe.
Der Astrazeneca-Impfstoff habe ein reines PR-Problem, betonte Watzl in dem Interview. Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie werde in den kommenden Tagen eine Stellungnahme veröffentlichen, „in der wir klar die Fakten darlegen, dass dies ein sicherer und effektiver Impfstoff auch für Ältere ist“, sagte der Wissenschaftler. Es forderte aber auch von der Politik die Botschaft, dass die Menschen sich impfen lassen sollten.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach sich wie Bayerns Regierungschef Söder dafür aus, den Zugang zu Impfstoff für alle Bevölkerungsgruppen zu öffnen, solange einige Vakzine auf Vorbehalte stoßen. „Die Priorisierung ist unbedingt wichtig - zumindest solange der Impfstoff noch Mangelware ist.“
„Zugleich können wir es uns nicht leisten, dass Impfstoff herumsteht und nicht verimpft wird, weil Teile der Berechtigten ihn ablehnen. Dann müssen wir dieses strenge Regiment auflockern und Menschen impfen, die nach der Priorisierung noch nicht an der Reihe wären“, sagte Kretschmann der „Welt am Sonntag“.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert, dass der Impfstoff von Astrazeneca für alle unter 65-Jährigen in den ersten drei Prioritätsgruppen der Impfverordnung „sofort zur Verfügung gestellt werden“ und „sofort eingesetzt werden“ solle. Das sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Abstand zwischen erster und zweiter Impfung solle bei allen Impfstoffen innerhalb der Zulassung soweit gestreckt werden wie möglich.
Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca stößt in Deutschland bislang auf Akzeptanzprobleme. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt das Mittel bisher nur für Menschen unter 65 Jahren, hat aber angekündigt, ihre Empfehlung rasch zu ändern. (AFP, dpa)