"Einseitige Interpretationen": Lungenärzte halten Feinstaub-Grenzwerte für unsinnig
Mehr als 100 Fachleute zweifeln die These an, dass Feinstaub in deutschen Städten gesundheitsgefährdend sei. Minister Scheuer (CSU) begrüßt den Vorstoß.
Mehr als hundert Lungenspezialisten bezweifeln den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide (NOx). Sie sehen derzeit keine wissenschaftliche Begründung, die die Grenzwerte rechtfertigen würden, wie es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme heißt.
So hätten viele Studien, die Gefahren durch Luftverschmutzung zeigen sollen, erhebliche Schwächen. Zudem seien Daten in der Vergangenheit einseitig interpretiert worden. Die Lungenexperten fordern deshalb, dass relevante Untersuchungen neu bewertet werden. Zunächst hatten der Norddeutsche Rundfunk und die „Welt“ über das Thema berichtet.
Lungenmediziner Dieter Köhler, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, und einer von vier Autoren der Stellungnahme, hält die Grenzwerte, die per EU-Verordnung erlassen wurden, für „völlig unsinnig“. „Wenn man die Belastung, der ein Zigarettenraucher ausgesetzt ist, mit der angeblichen Belastung durch Feinstaub vergleicht, müsste eigentlich jeder Raucher binnen weniger Wochen tot umfallen“, sagte Köhler der "Welt".
Die Fachleute stellen sich damit auch gegen ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), das Ende 2018 veröffentlicht worden war. Darin hieß es: „Studien zeigen, dass die Feinstaub-Belastung durch Landwirtschaft, Industrie und Verkehr gesundheitsschädlich ist.“ Außerdem werden Regularien und Anreize zur Schadstoffvermeidung gefordert.
Nun heißt es vonseiten der DGP, die aktuelle Stellungnahme werde „als Anstoß für notwendige Forschungsaktivitäten und eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Stickoxiden und Feinstaub“ betrachtet.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer begrüßte die Initiative der Ärzte. "Der wissenschaftliche Ansatz hat das Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu überwinden", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Initiative der 107 Lungenärzte sei ein wichtiger und überfälliger Schritt. Er helfe mit, "Sachlichkeit und Fakten in die Diesel-Debatte zu bringen". (dpa/Reuters/mis)