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Liu Xia, die Witwe Liu Xiaobos, bei der Trauerfeier mit einem Foto ihre Mannes
© AFP/Shenyang Municipal Information Office
Update

Chinesischer Friedensnobelpreisträger: Liu Xiaobos Asche im Meer verstreut - Sorge um Witwe wächst

Freunde von Liu Xiaobo nennen die Umstände seiner Beisetzung "widerwärtig". Chinas Autoritäten behaupten, die Witwe Liu Xia sei frei. Doch es gibt keinen Kontakt zu ihr.

Der gestorbene Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist chinesischen Staatsmedien zufolge nach einer "einfachen Zeremonie" im Beisein seiner Witwe und Freunde eingeäschert worden. Die Feuerbestattung fand demnach am Samstag in der nordchinesischen Stadt Shenyang statt.

Die Asche Liu Xiaobos wurde später ins Meer gestreut. Das sagte sein Bruder Liu Xiaoguang. Freunde der Familie vermuten, die Regierung habe eine Seebestattung angeordnet, um keine Gedenkstätte für Liu Xiaobo zu schaffen.

Offizielles Foto der Regierung: Liu Xiaobos Witwe Liu Xia bei der Seebestattung
Offizielles Foto der Regierung: Liu Xiaobos Witwe Liu Xia bei der Seebestattung
© dpa/AP/Shenyang Municipal Information Office

Der 61 Jahre alte Bürgerrechtler war am Donnerstag an Organversagen als Folge eines schweren Krebsleidens gestorben. Liu, der 2009 als Unterzeichner der "Charta 08" wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt worden war, hatte zur Behandlung das Gefängnis auf Bewährung aus medizinischen Gründen verlassen dürfen. Appelle westlicher Regierungen an Chinas Führung, Liu zur Behandlung ausreisen zu lassen, blieben erfolglos. Liu starb in Unfreiheit.

Liu hatte sich seit dem Massaker vom Platz des Himmlischen Friedens (Tian'anmen) 1989 friedlich für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz in China eingesetzt. Dafür war er wiederholt inhaftiert worden. 2010 wurde ihm der Nobelpreis zugesprochen, was Chinas Regierung empörte. Liu konnte die Auszeichnung nicht persönlich entgegennehmen.

Nach Darstellung der staatlichen "Global Times" nahmen an der Einäscherung fast alle Familienmitglieder Lius teil, darunter seine Witwe Liu Xia und sein Bruder Liu Xiaoguang. Zudem seien Freunde Liu Xiaobos dabei gewesen.

Dieser Schilderung widersprechen allerdings Freunde des Verstorbenen und andere Dissidenten. Demnach waren keine Freunde Lius zugegen, sondern lediglich Familienmitglieder und Sicherheitspolizisten. Die AFP-Korrespondentin Rebecca Davis schilderte den Eindruck, dass bei der Zeremonie auf der einen Seite Familienmitglieder Liu Xiaobos standen, auf der anderen Seite eine Reihe von Sicherheitsbeamten.

Freunde Liu Xiaobos warfen den Behörden vor, eine Seebestattung angeordnet zu haben, um Anhängern des Bürgerrechtlers keinen Ort für eine "Pilgerfahrt" zu geben. "Das ist zu übel, zu übel", sagte der im Ausland lebende Autor Liao Yiwu dem britischen "Guardian". "Das ist eine Gangsterbande."

Mo Zhixu, ein Aktivist und Freund der Familie, sagte der Zeitung: "Das Regime ist verrückt. Sie haben das Schlimmste getan, was man sich nur vorstellen konnte."

Auch der Künstler Ai Weiwei vermutete, dass den Unterstützern Liu Xiaobos kein Ort des Erinnerns gelassen werden sollte, an dem sie den Friedensnobelpreisträger ehren könnten. "Traurig, aber wahr", sagte Ai Weiwei.

"Unmenschlich, beleidigend, beschämend, widerwärtig", twitterte Ai Weiwei über die Umstände der Einäscherung.

Anwälte haben keinen Kontakt zu Liu Xia

Westliche Staaten und Menschenrechtsaktivisten sorgen sich nach dem Tod Lius nun um das Schicksal seiner Witwe und fordern deren Ausreise ohne Auflagen. Während der Bürgerrechtler die vergangenen Jahre im Gefängnis verbrachte, stand seine Frau Liu Xia in Peking unter Hausarrest.

"Liu Xia ist frei", zitierte die "Global Times" den Sprecher der Stadtregierung von Shenyang, Zhang Qingyang. Ihre Rechte als Bürgerin Chinas würden geschützt.

"Aber sie hat ihren Ehemann verloren. Sie ist sehr traurig", sagte Zhang demnach. "In der Zeit der Trauer um Liu Xiaobo will sie keine weiteren Störungen mehr von außen. Das ist der Wunsch der Familie."

Der Anwalt der Familie Liu, Mo Shaoping, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er habe keinen Kontakt zur Witwe und den anderen Hinterbliebenen aufnehmen können. Er könne nicht sagen, ob die Zeremonie zur Einäscherung den Wünschen der Familie entsprochen habe. "Sie stehen wohl noch unter der Bewachung und der Kontrolle durch die Behörden", sagt Mo demnach. "Sie können nicht kontaktiert werden."

Der US-Menschenrechtsanwalt Jared Genser, der sich ebenfalls für die Familie Liu einsetzt, sagte dem "Guardian" über die Witwe Liu Xia: "Wir haben seit drei Tagen keine Verbindung mehr zu ihr. Ich mache mir größte Sorgen um ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen." Die Behauptung, Liu Xia sei frei, sei "ein makaberer Scherz".

Leitartikel schmäht Liu Xiaobo und den Westen

Die "Global Times" nutzte den Tod und die Beisetzung Liu Xiaobos, um seine "Vergöttlichung" durch den Westen und seine "Verbrechen" anzuprangern. In ihrem Leitartikel warf die Staatszeitung dem Bürgerrechtler vor, "ein schädliches Element beim Aufstieg Chinas" gewesen zu sein. "Er war paranoid, naiv und arrogant", hieß es weiter.

Zugleich warf der Leitartikel dem Westen vor, Menschenrechte als Mittel einzusetzen für "schmutzige diplomatische Tricks und politische Angriffe gegen China".

Bürgerrechtler Xu Zhiyong aus Haft entlassen

Unterdessen ist einer der bekanntesten chinesischen Menschenrechtler am Samstag nach Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe entlassen worden. Er hoffe, dass sein Mandant Xu Zhiyong nun als freier Mann leben könne und nicht unter Hausarrest gestellt werde, erklärte Xus Anwalt. Der Aktivist sei nach der Freilassung in guter körperlicher Verfassung.

Xu hatte die Neue Bürgerbewegung gegründet und sich für die Rechte Benachteiligter wie Wanderarbeiter ohne Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem eingesetzt. Seine Verurteilung war auf internationale Kritik gestoßen. (mit Reuters)

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