Vernichtung syrischer Chemiewaffen: Linke zerlegen sich im Streit um Antikriegsmission
Deutschland wird sich im Mittelmeer mit einer eigenen Fregatte am internationalen Einsatz zur Vernichtung von syrischen Chemiewaffen beteiligen. Die Linksfraktion ist gespalten, ob sie das gut finden soll. Fraktionsvize Wagenknecht bekräftigte ihr Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Die Beteiligung Deutschlands am internationalen Einsatz zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen löst in der Linksfraktion des Bundestages erregte Debatten aus. Linksfraktionschef Gregor Gysi warb vor seinen Abgeordneten für eine geschlossene Enthaltung, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Jetzt wird die Abstimmung voraussichtlich freigegeben, wie aus Fraktionskreisen verlautete. Abschließend entschieden werden soll dazu auf der nächsten Fraktionssitzung am kommenden Montag.
Die Fraktion hatte am Dienstag ausführlich diskutiert, ob die Beteiligung an der geplanten Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien, die auf hoher See nach heutigen Planungen Ende April oder Anfang Mai beginnen soll, unter die grundsätzliche Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr fällt.
Der Linken-Politiker Paul Schäfer, der von 2005 bis 2013 verteidigungspolitischer Sprecher war, dem Bundestag aber nicht mehr angehört, hatte in einem Brief an die Abgeordneten eindrücklich geraten, den Antrag der Bundesregierung dazu "auf keinen Fall abzulehnen". Die Linke sei "für die totale Abrüstung der Massenvernichtungswaffen. Das galt also auch für die syrischen C-Waffenpotenziale. Wenn Deutschland dazu etwas beitragen kann, sollte es dies tun."
Gysi wirbt für geschlossene Enthaltung
Mehrere Abgeordnete des linken Flügels in der Linksfraktion gingen in der Sitzung gegen diese Empfehlung - und auch gegen die von Gysi vorgeschlagene geschlossene Enthaltung bei der Abstimmung im Bundestag - auf die Barrikaden. Anschließend meldeten sie sich in der linksradikalen Zeitung "Junge Welt" zu Wort und unterstrichen ihre Kritik. Der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Alexander Neu, wurde mit dem Satz zitiert: "Der linke Flügel wird weitgehend geschlossen dagegen stimmen." Seine Kollegin Sevim Dagdelen, wie Neu aus Nordrhein-Westfalen, warnte in dem Blatt: "Der Einsatz hat einen Türöffnercharakter." Auch bei SPD und Grünen sei "die letztendliche Zustimmung zu Kriegen über ein Ja zu niedrigschwelligen Auslandseinsätzen der Bundeswehr" erfolgt.
Mit in die Reihe der Kritiker einbezogen wurde auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die an der Fraktionssitzung am Dienstag allerdings gar nicht teilgenommen hatte. Von ihr hieß es auf Nachfrage der "Jungen Welt", sie lehne Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Wie Wagenknecht im Bundestag abstimmen will, konnte ihr Sprecher am Mittwoch nicht sagen.
Im Reformerlager führte die Veröffentlichung zu heftigen Gegenreaktionen - in der Fraktionssitzung war Vertraulichkeit vereinbart worden. Nach Tagesspiegel-Informationen sind eine ganze Reihe von ostdeutschen Abgeordneten geneigt, nun dem Antrag der Bundesregierung die ausdrückliche Zustimmung zu geben. Zu dieser Gruppe gehören dem Vernehmen nach unter anderem der Außenpolitiker Stefan Liebich sowie die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Jan Korte.
Bundeskabinett billigt Entsendung von bis zu 300 Soldaten
Michael Leutert, Haushaltsexperte in der Linksfraktion, sagte am Mittwoch dem Tagesspiegel, er werde "bis zum Schluss dafür kämpfen, dass die Fraktion sich geschlossen enthält". Deutliche Kritik übte er an Fraktionsvize Wagenknecht. Diese habe mit ihrer Wortmeldung "unter Beweis gestellt, dass sie für den Fraktionsvorsitz ungeeignet ist". Er fügte hinzu: "Sie integriert nicht, sie spaltet." Der stellvertretende Linken-Vorsitzende Jan van Aken, Abrüstungsexperte der Fraktion, sagte dem Tagesspiegel, dem Antrag der Bundesregierung könne er in nicht zustimmen. Das Mandat sei zu weit gefasst, "ich misstraue sowohl der Bundesregierung als auch der Nato". Ob er sich im Bundestag enthalten will oder mit Nein stimmt, ließ van Aken offen.
Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch in Berlin die Entsendung von bis zu 300 Soldaten bis Ende des Jahres. Die ausstehende Zustimmung im Bundestag gilt als Formsache - Kritik ist bisher nur aus der Linken bekannt. Die deutsche Fregatte soll - zusammen mit Schiffen anderer Nationen - bei der militärischen Absicherung eines amerikanischen Spezialschiffs helfen, auf dem die syrischen Bestände unbrauchbar gemacht werden können. Grundlage dafür ist eine Resolution des UN-Sicherheitsrats. Das neue Bundeswehr-Mandat gilt bis Ende des Einsatzes, höchstens jedoch bis Dezember. Die Besatzung einer Fregatte besteht normalerweise aus etwa 220 Soldaten.
Steinmeier wirbt um "zügige Beschlussfassung"
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begründete die deutsche Beteiligung mit den Worten: „Je eher die Chemiewaffen vernichtet und keine Gefahr mehr für die Menschen in Syrien sind, desto besser. Es entspricht unserer internationalen Verantwortung, daran mitzuwirken.“ In einem Brief an Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen, der dem Tagesspiegel vorliegt, erklärte Steinmeier: "Wegen des potenziellen Einsatzes von Verteidigungsmaßnahmen hält die Bundesregierung eine Mandatierung durch den Deutschen Bundestag für erforderlich." Er warb bei den Fraktionschefs um "zügige Beschlussfassung".
Das Regime von Syriens Machthaber Baschar al Assad muss nach einem Beschluss des UN-Sicherheitsrats bis Mitte des Jahres alle chemischen Kampfstoffe vernichtet haben. Der Abtransport der giftigsten Stoffe - darunter Sarin und Senfgas - dauert allerdings länger als geplant. Wegen der Verzögerung gab es in den vergangenen Wochen immer wieder internationale Kritik an Assad. (mit dpa)