Bundestagswahl: Linke fürchten die Fünfprozenthürde
Nach ihrem Debakel bei der Niedersachsen-Wahl wächst unter Genossen die Angst, auch bei der Bundestagswahl zu scheitern. Funktionäre schimpfen: Die SPD wolle die Linke nicht nur isolieren, sondern eliminieren.
In der Linkspartei wachsen nach dem Debakel bei der Niedersachsen-Wahl vor zweieinhalb Wochen die Ängste vor einem Scheitern auch bei der Bundestagswahl im Herbst. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sagte am Dienstagabend auf einer Diskussionsveranstaltung der linksradikalen Zeitung „Junge Welt“, ob die Linke im Herbst 2013 in den Bundestag komme, hänge „wesentlich davon ab, wie in Nordrhein-Westfalen entschieden wird" – dem größten Bundesland also. Die Politikerin aus Bochum warnte davor, die Linke im Wahlkampf als Vertreterin ostdeutscher Interessen zu profilieren oder mit einem „Erfahrungsvorsprung Ost“ hausieren zu gehen. Es bestehe sonst die Gefahr, dass „die Linke als gesamtdeutsche Partei kaputtgeht“. Als Ost-Partei werde sie keine Zukunft haben. Die Lage im Ruhrgebiet sei prekärer als etwa in Mecklenburg-Vorpommern.
Dagdelen rügte ihre Genossen in Sachsen, die im Landtag mit allen anderen Parteien außer der NPD eine Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert hatten. Diese Kooperation mit der CDU sei nicht besonders glücklich gewesen, selbst wenn „als Duftnote“ ein „sozialer Ausgleich“ vereinbart worden sei. „Wir verlieren an Profil, an Authentizität“, sagte Dagdelen. Sie warnte vor einem „Kippschalter-Effekt“, der auch bei der Bundestagswahl auf die Linke zukommen werde. Mit diesem Begriff griff Dagdelen eine Analyse des niedersächsischen Landeschefs Manfred Sohn auf. Dieser meint, in seinem Bundesland hätten Menschen aus Angst vor der „undemokratischen Fünfprozentklausel“ der Linken die Stimme verweigert, um sie nicht zu verschenken. Dies sei ein „drohendes Problem“ auch im Bund, sagte Sohn. Der SPD sei eine „Isolation und Liquidation der Linken“ noch wichtiger als eine Regierungsbeteiligung.
Hans Modrow, Chef des Ältestenrates der Partei, wies darauf hin, dass das Wählerpotenzial auch im Osten schmelze. Derzeit sei der Einzug in den Bundestag nicht sicher. Ellen Brombacher, Sprecherin der Kommunistischen Plattform, griff die neue Parteispitze an: „Notwendige Ruhe ist noch keine strategische Antwort.“ Die Vorsitzende Katja Kipping behauptet, die Linke habe sich unter ihrer Führung stabilisiert. Auch Kipping hatte kürzlich kritisiert, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel der Linken die Existenzberechtigung abspreche. Dies überschreite „das natürliche Maß an Parteienkonkurrenz“.
Den Einzug in Gruppenstärke in den Bundestag würde die Linke schaffen, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnt – 2009 waren es noch 16. 2002 hatte das nicht geklappt, drei Jahre lang vertraten Petra Pau und Gesine Lötzsch die PDS im Parlament. Als aussichtsreich gelten 2013 die drei Ost-Berliner Wahlkreise Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick, wo Lötzsch, Pau und Gregor Gysi antreten. Gezielt um Erststimmen gekämpft werden soll auch in Pankow (Stefan Liebich) und Märkisch-Oderland (Dagmar Enkelmann). Aus symbolischen Gründen wird eine ähnliche Kampagne auch für Kippings Wahlkreis Dresden geplant. In der Partei wird aber nicht damit gerechnet, dass sich die Vorsitzende der Bundespartei gegen den örtlichen CDU-Bewerber durchsetzt.