Die Ampel-Etats und die Union: Lindners Werk und Merzens Beitrag
In den Etatberatungen im Bundestag hat die Unions-Fraktion eine starke Position. Das könnte teuer werden für die Regierungskoalition. Aber es gibt einen Haken.
Ganz neu ist das Vorhaben eines Ergänzungshaushalts nicht. Aber es ist selten. 1966 hat eine Bundesregierung diese Möglichkeit erstmals genutzt, 2019 war es nochmals der Fall. Das war's an Präzedenzfällen. Einst war es eine Notoperation, um den Etat überhaupt ausgleichen zu können. Vor gut zwei Jahren ging es darum, das Klimaschutzpaket der Groko auf den Weg zu bringen. Und nun macht sich die Ampel-Koalition daran, es ein drittes Mal zu tun.
Ein Ergänzungsetat ist kein Nachtragshaushalt. Ein solcher muss vorgelegt werden, wenn eine Regierung merkt, dass sie mit dem Geld nicht auskommt, das ihr der Bundestag mit dem regulären Jahresetat zur Verfügung gestellt hat. Ein Ergänzungsetat wird bereits nachgeschoben, bevor der reguläre Etat im Parlament beschlossen wird – weil die Regierung merkt, dass ihr Entwurf zu knapp bemessen ist.
Am 27. April will Finanzminister Christian Lindner (FDP) seinen Ergänzungswerk vorlegen. In ihm sollen Kosten aufgefangen werden, die sich wegen des Ukraine-Kriegs ansammeln. Einen Teil macht das Entlastungspaket aus, das die Koalition am vorigen Donnerstag beschlossen hat (das erste vom Februar wird noch im normalen Etatentwurf mitbedacht).
Zweites Entlastungspaket
Lindner hat den Finanzbedarf auf 17 Milliarden Euro beziffert. So viel sollen die 300-Euro-Energiepreispauschale für Erwerbstätige, der Kinderbonus von 100 Euro, der nochmalige Entlastungsbetrag von 100 Euro für Menschen in Grundsicherung und Sozialhilfe sowie die dreimonatige Verbilligung von ÖPNV-Tickets kosten. Der SPD-Politiker Kevin Kühnert sprach dagegen von 20 Milliarden Euro.
Einen weiteren Teil werden die Kosten für die Geflüchteten aus der Ukraine ausmachen. Diese sind allenfalls grob zu schätzen. Zwischen Bund und Ländern ist noch nicht endgültig geklärt, ob die Geflüchteten in die Grundsicherung aufgenommen werden (und in welcher Form) oder ob Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlt werden. Die Entscheidung wird noch in dieser Woche fallen. Dann weiß Lindner, wie viele Milliarden er zusätzlich in den Ergänzungsetat einstellen muss.
Merz: 50 Milliarden
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz, wiewohl bisher kein Teilnehmer an den Gesprächen zum Ergänzungsetat, sprach vorige Woche in der Etatdebatte schon von einem Volumen von „bis zu 50 Milliarden Euro“. Übertreibung – oder weise Voraussicht? Immerhin werden Merz & Co. von der Koalition demnächst gebraucht. Denn Teil des regulären Etats 2022, der schon im Bundestag beraten wird, ist das Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Das soll im Grundgesetz verankert werden, weshalb Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion für die Zweidrittelmehrheit nötig werden.
Merz hat der Koalition Zustimmung zugesagt, aber Bedingungen genannt. Und er hat angekündigt, dass nur so viele Unions-Abgeordnete an der Abstimmung teilnehmen werden, wie zum Erreichen der verfassungsändernden Mehrheit nötig seien. Damit hat er die Koalition unter maximalen Druck gesetzt. Abweichler kann sie sich beim Sondervermögen nicht mehr leisten. Die Union wiederum ist damit sozusagen Teil der Koalition in den gesamten Etatberatungen der kommenden Wochen.
Massiver Zeitdruck
Und die werden unter massivem Zeitdruck verlaufen, was Merz ausnutzen kann. Nicht nur beim Sondervermögen, sondern auch beim Ergänzungsetat. Zwischen Lindners Kabinettsvorlage am 27. April und der Abschlusssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag am 19. Mai liegen gerade einmal drei Wochen. Ein Verschieben nach hinten ist problematisch, weil die Bundesregierung derzeit ohne beschlossenen Etat wirtschaften muss – vorläufige Haushaltsführung nennt sich das, und die sollte möglichst nicht ins zweite Halbjahr schwappen, weil sie den Ministerien beim Geldausgeben gewisse Grenzen setzt.
Zu den von Merz genannten Bedingungen bei der Bundeswehr gehört, dass die Nato-Quote in Zukunft ohne Anrechnung des Sondervermögens aus dem laufenden Etat erreicht wird – also eine Summe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Verteidigungsetat. Damit können, je nach Verhandlungsposition der Union, schon jetzt Mehrkosten auf die Ampel zukommen.
Die Union fordert
Aber auch auf anderen Feldern haben Unions-Abgeordnete in der Etatdebatte vorige Woche munter Mehrausgaben verlangt. Würde nur ein Teil davon in die Etatberatungen einfließen, wird es schon deutlich teurer für die Ampel. Beim zweiten Entlastungspaket hat die Union zudem Lücken ausgemacht. Der CDU-Sozialpolitiker Dennis Radtke machte sich am Wochenende schon mal dafür stark, dass auch Rentner in den Genuss der 300-Euro-Pauschale kommen sollten. Damit würde der Ergänzungsetat nochmals um einige Milliarden wachsen.
Lindner und die Seinen haben immerhin eine Trumpfkarte. Der Ergänzungsetat wird nämlich aus neuen Krediten finanziert. In eine Rekordverschuldung hineinzulaufen, ist allerdings ein Vorwurf, den die Union der Ampel macht. Wenn sie daher zu sehr zu neuen Schulden beiträgt, kann das gegen sie verwendet werden. Das dürfte die Forderungen der CDU/CSU-Fraktion am Ende etwas dämpfen. Zumal sie demnächst Klage in Karlsruhe einreichen wird gegen den ebenfalls schuldenfinanzierten Nachtragsetat für 2021, mit dem sich die Ampel-Koalition einen Puffer geschaffen hat für Investitionen in den Klimaschutz – aus Sicht der Union verfassungswidrig. Lindner wiederum hat das Einhalten der Schuldenbremse ab 2023 zu seinem wichtigsten Anliegen gemacht.