Bamf-Affäre: Lindners Risiko
AfD-Helfer oder Aufklärer des Skandals um das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration: Was der Untersuchungsausschuss der FDP bringt.
Christian Lindner ahnt die Gefahr. Als der FDP-Chef am Montagmorgen seinen Antrag für einen Untersuchungsausschuss über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und den Skandal um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erläutert, wird er immer wieder auf die Nähe zur rechtspopulistischen AfD angesprochen. Auch die AfD wolle einen Ausschuss beantragen, auch die AfD wolle sich darin nicht auf die Hintergründe des Bamf-Skandals beschränken, sondern die Merkelsche Flüchtlingspolitik insgesamt untersuchen lassen. Zunehmend genervt sucht der FDP-Vorsitzende Abstand zwischen sich und die AfD zu bringen. „Unseriös“ sei deren Antrag, schimpft er und dass man der Partei nicht das „Monopol auf Kritik an der Regierung“ einräumen dürfe.
Politische Vorteile
Seit Lindner im vergangenen Sommer eine härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik und konsequentere Abschiebungen forderte, verfolgt ihn der Verdacht, mit der FDP im Bundestag eine Art „AfD-light“ etablieren zu wollen, mit der er Wähler zu sich zieht, die zwar der ausländerkritischen Haltung der AfD nahe stehen, deren offenen Rassismus jedoch ablehnen. Und nun wird dieser Verdacht dadurch genährt, dass beide Fraktionen am Donnerstag zeitgleich einen Untersuchungsausschuss beantragen, dessen Inhalte sich zwar unterscheiden, deren grundsätzliche Ausrichtung aber auf das gleiche abzielt: Eine Aufarbeitung der Flüchtlingskrise und deren politische Verantwortlichkeiten.
Im Moment laufen die Anträge noch ins Leere. Weil FDP und AfD zusammen 172 Stimmen haben und damit nicht die erforderliche Zahl von 178 Abgeordneten zusammenbringen, wird es bei einer Abstimmung keinen Untersuchungsausschuss geben. Das hätte zwar für beide Antragsteller politische Vorteile, schließlich können sie der Regierung fortan den Versuch von Vertuschung und den anderen Oppositionskräften Wegducken vor der Wahrheit vorwerfen. Der FDP-Vorsitzende müsste sich jedoch den Vorwurf gefallen lassen, er hätte für die Einlösung seines Wahlkampfversprechens, nämlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, am Ende sogar gemeinsame Sache mit den Rechtspopulisten gemacht – und ist trotzdem im Bundestag gescheitert.
Verbündete dringend gesucht
Um wenigstens nicht als derart prinzipienloser Verlierer vom Platz zu gehen, braucht Lindner Verbündete anderer Fraktionen. Dass sich in der Koalition Abtrünnige finden, die gegen ihre eigene Fraktion stimmen, darf man als ausgeschlossen betrachten. Bleiben also nur Grüne und Linke. Ersteren hat Lindner in diesen Tagen immer wieder vorgeworfen, sie wären in der letzten Legislaturperiode ein oppositioneller Totalausfall gewesen und litten nun unter „Beißhemmung“. Ob das beim Werben um Stimmen hilfreich ist, darf bezweifelt werden. Und auch bei den Linken ist das Bedürfnis klein, als Steigbügelhalter der Rechten und der Liberalen in die Geschichte einzugehen. Zudem braucht Christian Lindner beide, Linke und Grüne, um sich selbst von dem Verdacht endgültig freizumachen, er paktiere um des Erfolges willen selbst mit der AfD. Denn nur mit Grünen und Linken wären genügend Stimmen vorhanden, um den Ausschuss auch ohne das Zutun der AfD durchzusetzen.
Womöglich wendet sich die Gefahr für Christian Lindner aber auch in einen Erfolg. Noch setzen die Koalitionsfraktionen auf eine Klärung des Skandals der Bamf im Innenausschuss. In dieser Woche werden in einer Sondersitzung die Chefs und ehemaligen Chefs der Behörde vernommen, am 15. Juni sollen der Ex-Innenminister Thomas de Maizière und der seinerzeit verantwortliche Kanzleramtschef Peter Altmaier (beide CDU) gehört werden. Bleiben danach wichtige Fragen ungeklärt oder tauchen neue Ungereimtheiten auf, kann der Druck auf die Abgeordneten von Union und SPD wachsen, doch einen Untersuchungsausschuss einzuberufen. Neben Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) wollte am Dienstag auch die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), eine solche Entwicklung nicht mehr ausschließen.
Gegen alle Widerstände
Kommt der Ausschuss am Ende doch – mit breiter Mehrheit des Parlaments – würde im Handumdrehen aus dem FDP-Mann Lindner, der im Zweifel sogar seine Beteuerungen über Bord wirft, keine Initiative in den Bundestag einzubringen, die nur mit Hilfe der AfD erfolgreich sein, ein FDP-Vorsitzender werden, der frühzeitig den richtigen politischen Instinkt bewies und gegen alle Widerstände dafür gekämpft hat, dass die Hintergründe der Flüchtlingskrise in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden – und dabei vielleicht sogar manche Verschwörungstheorie der AfD entlarvt wird.