FDP will Asyl-Untersuchungsausschuss: Lindner verlangt im Bamf-Skandal „Aufklärung statt Vertuschung“
Der FDP-Chef will den Bamf-Skandal und die Grenzöffnung 2015 in einem Untersuchungsausschuss klären. Notfalls auch mit den Stimmen der AfD.
- Antje Sirleschtov
- Robert Birnbaum
Die FDP will den Skandal um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die Verantwortung der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss klären lassen – zur Not auch mit den Stimmen der AfD. Es gehe um „vollständige Aufklärung statt Vertuschung“, begründete FDP-Chef Christian Lindner den Antrag seiner Fraktion am Montag. An diesem Donnerstag will der Bundestag darüber erstmals beraten.
Ziel der FDP sei es, sagte Lindner, die politischen Hintergründe auszuleuchten, die womöglich zu einer Überforderung des Bamf in der Flüchtlingskrise geführt haben. Im Zentrum stehe dabei die Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vom September 2015, die deutschen Grenzen für Flüchtlinge nicht zu schließen.
Der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses müssten mindestens ein Viertel aller Abgeordneten, also 178 Parlamentarier, zustimmen. FDP und AfD stellen gemeinsam 172 Abgeordnete. Anfang Dezember hatte Lindner aber im Zusammenhang mit einem von ihm schon im Wahlkampf geforderten Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik gesagt, seine Fraktion werde „keine Initiativen in den Bundestag einbringen, die nur dann umgesetzt werden können, wenn die AfD den Ausschlag geben sollte“.
Ob er sich an diese Abgrenzung halten wird, ließ er nun offen. Er werbe um die Zustimmung von Grünen und Linken, sagte Lindner am Montag. Zur Durchsetzung eines Ausschusses – auch ohne die Stimmen der AfD – benötigt die FDP-Fraktion mindestens 98 weitere Stimmen aus beiden Oppositionsfraktionen.
Grüne und Linke zeigen sich skeptisch
Grüne und Linke zeigen sich jedoch, genauso wie die SPD, bisher skeptisch. Ihre Begründung ist, dass ein Untersuchungsausschuss die rasche Aufklärung der Betrugsvorwürfe in der Bremer Bamf-Zentrale behindern und den Interessen der Rechtspopulisten in die Hände spielen könne, die Ende vergangene Woche bereits ihrerseits einen Untersuchungsausschuss beantragt hatten. Diesem Eindruck widersprach FDP-Chef Lindner. Das Gegenteil sei der Fall. Vielmehr nützten der AfD „Verdruckstheit und das Gefühl, es könne etwas vertuscht werden“.
Für Aufmerksamkeit sorgte am Montag der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor. Der Mecklenburger sprach sich im Deutschlandfunk dafür aus, einen Untersuchungsausschuss zumindest mittelfristig nicht komplett zu verwerfen. „In der Bevölkerung“ herrsche ein „gewisses Unverständnis“; man finde, es spreche nichts dagegen, die Sache „systematisch“ aufzuarbeiten.
Natürlich müsse man den Auftrag aber deutlich eingrenzen; „rückwärtsgewandt ein Scherbengericht“ über Angela Merkel zu veranstalten, komme nicht infrage. Bisher steht Amthor mit dieser Sichtweise in der Union allerdings allein, die Fraktionsführung der Union lehnt einen Untersuchungsausschuss ab.
Eine erste öffentliche Reaktion der Kanzlerin auf den Bamf-Skandal wird für diesen Mittwoch erwartet, wenn sie sich zum ersten Mal öffentlich den Fragen der Abgeordneten stellen wird. In den Koalitionsverhandlungen hatte die SPD durchgesetzt, dass diese Form der Regierungbefragung mit der Kanzlerin in Zukunft mindestens dreimal im Jahr stattfinden soll.
Am Wochenende waren auch Merkel und der Kanzleramtschef der letzten großen Koalition, Peter Altmaier (CDU), wegen der Vorkommnisse im Bamf unter Druck geraten. Der Innenausschuss des Bundestages will am Donnerstag in einer zweiten Sondersitzung die ehemaligen Chefs der Migrationsbehörde vernehmen, unter anderem den Manager Frank-Jürgen Weise, der das Amt 2016 geleitet hatte.