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FDP-Parteichef Christian Lindner bei der Vorstellung seines Buches "Schattenjahre".
© Reuters/ Axel Schmidt

Kritik am FDP-Chef aus der CDU: Christian Lindner rückt sich in den Fokus

Nicht nur die Vorstellung seines Buches wird als Show gesehen: In der CDU gibt es Zweifel, ob Christian Lindner ernsthaft sondieren will.

Von Antje Sirleschtov

Den Augenblick, als er sich entschloss, den organisierten Liberalismus zu retten und die FDP zu übernehmen, hat Christian Lindner jetzt für die Geschichtsschreibung festgehalten. Es war der 22. September 2013, kurz vor 17 Uhr, und der schmachvolle Rauswurf der Liberalen aus dem Bundestag stand unmittelbar bevor. Er selbst, erinnert sich Lindner, fuhr an jenem Wahlabend mit dem Taxi in ein Hotel. „Schnell duschen, kurz fluchen. Unter der Dusche traf ich die Entscheidung: Ich werde es machen.“

An diesem Donnerstag, vier Jahre später, bereiten sich vier Parteien auf die Bildung einer komplizierten Jamaika-Koalition vor. Es steht viel auf dem Spiel, Deutschland braucht eine stabile Regierung – und Lindner steht im Zentrum des Geschehens. Am Nachmittag wird die FDP-Führung zum ersten Mal mit den Grünen zusammentreffen.

Mindestens 20 Kameras sind auf Christian Lindner gerichtet

Und was macht der FDP-Chef? Er bearbeitet kurz vor dem heiklen Treffen im Haus der Bundespressekonferenz sein Handy. Gleich wird er sein neues Buch vorstellen: „Schattenjahre – Die Rückkehr des politischen Liberalismus“. 20 Kameras, mindestens, sind auf ihn gerichtet.

Aber Lindner scheint die Aufmerksamkeit auf seine Person noch nicht zu genügen. Er bastelt sein Handy in eine Vorrichtung und justiert den Fokus exakt auf den Platz vorn auf dem Podium, wo er sitzen wird. Noch ein prüfender Blick, „Facebook live“ soll jede seiner Gesten in die Welt tragen. Ein Mann richtet das Scheinwerferlicht auf sich.

FDP-Chef Christian Lindner richtet die Kamera an seinem Mobiltelefon ein.
FDP-Chef Christian Lindner richtet die Kamera an seinem Mobiltelefon ein.
© dpa

Dass es dem 38-Jährigen gelungen ist, seine Partei aus der außerparlamentarischen Opposition in den Bundestag zurückzuführen, ist nach der Wahl auch in anderen Parteien mit Anerkennung gesehen worden. Und auch dafür, dass Lindner in den ersten Tagen nach dem 24. September eine Koalitionsbeteiligung der FDP eher abgewehrt hat, fand man Verständnis. Schließlich sollte der Eindruck, die FDP dränge es, gerade erst in den Bundestag eingezogen, schon wieder auf Ministersessel, erst gar nicht aufkommen.

Nun jedoch hängt vom Verhalten des Liberalen-Chefs viel ab in den Sondierungsgesprächen. Wenn vier Partner mit zum Teil großen inhaltlichen Differenzen aufeinandertreffen, heißt es zumindest in der CDU, dann hänge der Erfolg vom Verhalten jedes Einzelnen ab.

Beinahe täglich gibt es Kommentare und Forderungen

Und genau an diesem, an der Ernsthaftigkeit des Christian Lindner, kommen jetzt Zweifel auf. In beinahe täglichen Interviews diskreditiert er einmal das Finanzministerium als Unterabteilung des Kanzleramtes, das man der CDU nicht überlassen dürfe. Ein andermal gibt er der Kanzlerin Ratschläge, wie sie ihre Nachfolge organisieren sollte, attestiert Angela Merkel sogar einen „deutlich spürbaren Autoritätsverlust“. Zwischendurch erhebt Lindner mit der Abschaffung des Soli Koalitionsbedingungen, wirbt in Tweets um Verständnis für die Verweigerung der FDP an Koalitionsbeteiligungen in Berlin und Niedersachsen schlechthin. Und zeiht schließlich nur wenige Stunden vor seinem Treffen mit den Grünen diese in seinem Buch der „moralischen Überheblichkeit“. Wie soll so Vertrauen für die Sondierungen entstehen?, fragen sich Sondierer der CDU. Und mahnen, frei nach seinem eigenen Werbespruch aus dem Wahlkampf, es wäre besser, Christian Lindner würde „Ernsthaftigkeit first, Show second“ zum neuen Motto erheben.

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