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Sie wollen 60 Milliarden Euro zusätzlich Schulden machen: Wirtschaftsminister Robert Habeck, Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner im Bundestag.
© imago images/Future Image

Adieu, ihr billigen Kredite: Welche Haushaltspolitik ist richtig nach der Zinswende?

Der Nachtragsetat der Koalition ist von der Nullzinsära geprägt. Aber die Zeiten ändern sich – darauf muss die Ampel ihre Politik ausrichten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Jerome Powell macht auch deutsche Haushaltspolitik. Der Chef der US-Notenbank Fed bestimmt nicht nur den Zins in seinem Heimatstaat, sondern auf der ganzen Welt. Geht’s in den USA nach oben – und Powell hat jetzt deutlich gemacht, dass das die neue Richtung sein wird – folgt der Rest der Herde weltweit früher oder später.

So wird man sich nun auch in der Ampel-Koalition und vor allem im Bundesfinanzministerium darauf einstellen müssen, dass die Zeit der Nullzinspolitik an ihr Ende gekommen ist. Schuldenmachen wird perspektivisch wieder teurer werden, vorerst wohl nicht massiv, aber mittelfristig schon. Es ist tatsächlich eine kleine Zeitenwende, die sich in Washington angekündigt hat.

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Das hat Folgen für die gesamte Etatpolitik der neuen Bundesregierung. Denn die Perspektiven ändern sich nachhaltig. Am Donnerstag hat der Bundestag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen einen Nachtragsetat beschlossen, der noch ganz bestimmt ist von der Gefühlswelt der Nullzinsära.

60 Milliarden Euro an nicht genutzten Kreditermächtigungen aus dem vorigen Jahr werden hinübergerettet in die Amtszeit der neuen Regierung. Mit der Begründung, man wolle mit Konjunkturpolitik die Pandemiefolgen bekämpfen, sollen mit dem vielen Schuldengeld vor allem Klimaschutzprojekte finanziert werden. Zwei Fliegen mit einer Klappe, haben sich SPD, Grüne und FDP gedacht und hoffen auf Nachsicht angesichts der guten Absicht.

Zweifelhafte Angelegenheit

Aber dieser Nachtragsetat ist und bleibt eine zweifelhafte Angelegenheit. Die neue Koalition nutzt aus, dass die schwarz-rote Regierung in den ersten beiden Corona-Jahren jeweils einen sehr üppigen Schuldenspielraum geschaffen hat. Sowohl 2020 als auch 2021 mussten glücklicherweise aber weniger Notkredite zum Decken der Pandemiekosten aufgenommen werden. Üblicherweise verfallen die Ermächtigungen für die Restsumme dann.

Jetzt ist es anders. Die 60 Milliarden Euro werden dem Energie- und Klimafonds (EKF) bereitgestellt, zur mehr oder weniger freien Verwendung in der Zukunft. Zwar hat Finanzminister Christian Lindner mit Blick auf die absehbare Verfassungsklage der Union eine Zweckbindung vorgesehen. Die ist allerdings eher luftig und orientiert sich an den Fördermaßnahmen, die seit vielen Jahren schon über den EKF finanziert werden.

Zudem will die Koalition die Abschaffung der EEG-Umlage über den EKF finanzieren. Zwar fließen diesem auch Mittel zu, die nicht kreditfinanziert sind. Aber es entsteht der Eindruck, die Ampel finanziere eine Entlastung der Stromkunden auch über Neuverschuldung. Solides Haushalten wäre das nicht.

[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus: Die neue Ampel-Finanzpolitik]

Andererseits sind die 60 Milliarden vorerst nur Kreditermächtigungen. Warum also aufregen? Doch die Koalition hat sich festgelegt, das Geld innerhalb weniger Jahre aufzubrauchen. Sollte das nicht gelingen – und nicht wenige EKF-Programme kämpfen mit dem Problem zu geringen Mittelabflusses –, dann stünde am Ende der Aktion das Eingeständnis eines Scheiterns.

Also wird die Regierung alles tun, die Kreditmittel irgendwie zu verausgaben. Damit aber erhöht sich die Gefahr, dass es zu wenig wirksam und zielgerichtet verwendet wird. Solides Haushalten wäre auch das nicht.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Dieser Nachtragsetat für 2021 ist ein mehrfach riskantes Unterfangen. Zumal die Notkredite, das verlangt die Schuldenregel im Grundgesetz, zurückgezahlt werden müssen – im Gegensatz zu normalen Schulden, die immer wieder durch neue Kredite abgelöst werden, die künftig teurer sind. So wird der Posten „Zins und Tilgung“ in künftigen Bundeshaushalten also immer größer werden. Solides Haushalten verlangt, sich jetzt darauf einzustellen.

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