Der Krieg geht weiter: Libyen könnte geteilt werden
General Haftar hatte zuletzt seinen Großangriff auf Tripolis abbrechen müssen. Die Wende wird die Einmischung internationaler Mächte nicht beenden.
Wenn eine der Kriegsparteien in Libyen einen Waffenstillstand fordert, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass sie militärisch ins Hintertreffen geraten ist. Derzeit ist es Rebellengeneral Chalifa Haftar, der plötzlich den Wert von Frieden und Verständigung entdeckt haben will. Gemeinsam mit seinem Unterstützer Ägypten tritt Haftar für eine Feuerpause ein, die an diesem Montag beginnen soll. Doch der Krieg in dem nordafrikanischen Land endet damit nicht – er tritt in eine neue Phase.
Haftar hatte in den vergangenen Tagen seinen Großangriff auf die Hauptstadt Tripolis nach mehr als einem Jahr abbrechen müssen. Diese Wende wird die Einmischung internationaler Mächte nicht beenden, könnte jedoch die Teilung Libyens besiegeln.
Das Krisenland erlebt seit dem Sturz von Diktator Muammar Gaddafi vor neun Jahren Krieg und Chaos. Seit Langem hat Libyen zwei konkurrierende Regierungen, die von rivalisierenden ausländischen Akteuren unterstützt werden: Haftar beherrscht den Osten Libyens und die dortigen Ölquellen sowie den Süden des Landes; die von den UN anerkannte Einheitsregierung kontrolliert ein kleines Gebiet um Tripolis im Westen.
Der Krieg geht weiter
In dem Konflikt geht es um Libyens Ölreichtum und eine regionale Konkurrenz zwischen der Türkei auf der einen und Ägypten, Russland sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf der anderen Seite. Auch das Flüchtlingsproblem spielt eine Rolle. In Libyen warten Hunderttausende auf eine Chance, über das Mittelmeer in die EU zu kommen. Einfluss in Libyen kann deshalb die Chance eröffnen, über die Flüchtlinge Druck auf Europa auszuüben.
Im April vergangenen Jahres hatte Haftars Libysche Nationalarmee (LNA) mit dem Sturm auf Tripolis begonnen. Mit Rückendeckung aus Ägypten, den VAE, Frankreich und Russland marschierte die LNA bis in die südlichen Vororte der Hauptstadt. Doch der Kriegseintritt der Türkei auf der Seite der Einheitsregierung verschob das Kräftegleichgewicht. Am Freitag mussten Haftars Truppen die Stadt Tarhuna südlich von Tripolis räumen, aus der die Offensive koordiniert worden war. Seitdem versucht die Einheitsregierung, Haftars Truppen aus der strategisch wichtigen Küstenstadt Sirte zu vertreiben, die rund 250 Kilometer östlich von Tripolis liegt.
Haftar traf sich jüngst in Kairo mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al Sisi. Dieser schlug die Waffenruhe, Friedensverhandlungen und den Abzug aller ausländischen Kämpfer aus Libyen vor. Doch weder Haftar noch die Regierung in Tripolis sind bereit, auf ausländische Hilfe zu verzichten. Premier Fajes al Sarradsch hatte jüngst bei einem Besuch in Ankara betont, seine Regierung wolle ihre Macht auf ganz Libyen ausdehnen.
Als wichtigste ausländische Militärmächte in Libyen sind die Türkei und Russland dabei, die Machtbereiche ihrer jeweiligen Partner zu dauerhaften Einflusszonen für sich selbst auszubauen. Diese Versuche laufen auf ein Einfrieren des Konflikts hinaus und erschweren die Suche nach einer politischen Lösung, meint Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Eine starke Regierung für ganz Libyen sei nicht im Interesse von Ankara und Moskau, schreibt Lacher in einer Analyse. Die Bildung einer türkischen und einer russischen Zone würde zudem auf den Widerstand anderer Akteure treffen.
Nach der Niederlage des Generals verändert sich der Konflikt in Libyen – aber der Krieg geht weiter.